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Pfade des Bewusstseins

Wie wenig wissen wir über jene geheimnisvollen Regionen, in die unser Bewußtsein nachts im Schlaf und, für längere Intervalle, im Tod eintritt. Diesen Kreisläufen folgen wir jedoch instinktiv, ähnlich wie die Vögel auf ihrem Zug magnetischen Bahnen folgen. Unfehlbar finden wir unseren Weg auch nach Wanderungen in den inneren Reichen der Natur, die Hunderte oder vielleicht Tausende von Jahren dauern, immer wieder hierher zurück.

Gegenwärtig versuchen wir das mit dem Schlaf und mit dem Tod verknüpfte Phänomen zu erforschen. Wir möchten verstehen, wie der Schmerz und die Angst, die den Übergang in das Unbekannte häufig begleiten, gemildert werden können. Der Schlaf wird von uns wegen der nächtlichen Ruhe gern und dankbar angenommen. Jedoch der Tod, das ist etwas anderes! Intellektuell können wir anerkennen, daß er der Weg der Natur zur Wiederherstellung ihrer Lebenskräfte ist, und auch, daß die Befreiung der Seele von einem kranken oder alten Körper eine Wohltat ist, und daß ohne periodischen Wechsel der Form kein kontinuierliches Wachstum möglich ist. Dennoch ist der herannahende Tod von Menschen, die uns nahestehen, immer ein Schock. Wir empfinden die Unwiderruflichkeit. Wir fühlen uns von einer gewaltigen Macht ergriffen, die wir nicht begreifen können. Alle Hoffnung ist dahin, unbeabsichtigtes Unrecht korrigieren und unausgesprochene Gedanken noch mitteilen zu können. Andererseits erhält man Unterstützung durch das Einströmen einer Kraft, durch eine Atmosphäre stiller Gewißheit, daß die Bande, die uns mit unseren Lieben verbinden, ebenso unsterblich sind wie das Herz des Seins.

Der Tod war nicht immer des Menschen Los. Viele Überlieferungen weisen darauf hin, daß er erst einsetzte, als die Menschheit in ihrer Jugendzeit Selbstbewußtsein erlangte, als der Intellekt erwachte und unser Denk- und Unterscheidungsvermögen uns stolz machte, so daß wir leichtfertig und egoistisch wurden. Wie dem auch sei, der physische Tod dient einem wohltätigen Zweck. Er erlaubt der Seele eine periodische Abrechnung vor ihrem inneren Richter, ihrem eigenen höheren Selbst. Im Laufe der Zeit wurde der Tod personifiziert, wie z. B. in Indien, wo Yama, der Wächter des Todes, den Tugendhaften ein "freundliches Gesicht" zeigt. Für jene aber, die ihr Menschsein verletzt haben, ist er ein "Ankläger und Vernichter." Kurz, unsere Gedanken, Emotionen und die sich daraus ergebenden Handlungen während unseres Lebens sind es, die uns nach unserem Tod schützen, oder nicht zur Ruhe kommen lassen. Die Himmel, Höllen und Fegefeuer - Sphären des Glücks, des Leidens und der Reinigung - haben daher in der Natur Gültigkeit, obwohl ihre Schilderung in den östlichen und westlichen Schriften stark übertrieben ist.

Eine unserer Schwierigkeiten besteht darin, daß wir unserem irdischen Leben zuviel Gewicht zumessen. In Wahrheit repräsentieren sie nur einen Teil unseres Schicksals. Von Asvattha, dem Feigenbaum in den Veden Indiens, wird gesagt, er reiche mit seinen Wurzeln in den Himmel und mit seinen Zweigen und Blättern erdwärts, und genauso sind wir Menschen in unserer monadischen Essenz verwurzelt, aus der unsere Intelligenz, unsere emotionelle Natur und selbst unser physischer Körper hervorgehen. Geburt und Tod werden also als Torwege, als Episoden im Wachwerdungsprozeß der Seele gesehen, deren Wachstum ursächlich aus unserer göttlichen Quelle angeregt wird.

Schlaf, Tod und Wiedergeburt haben noch eine weitere Bedeutung in der Realität der Initiation: Diese ist das Ziel eines mit vollem Bewußtsein gelebten Lebens, einem Bewußtsein, das uns unmittelbar die Erfahrungen von den Wegen vermittelt, die wir unbewußt im Schlaf und nach dem Tode wandern. Wer das Leben des Geistes verstehen möchte, muß mit vollem Bewußtsein durch die Unterwelt gehen. Wenn er erfolgreich ist, steigt er zu den Portalen der Sonne empor und kehrt mit voller Erinnerung an die erhaltene Erleuchtung wieder zurück, um sie seinen Mitmenschen weiterzugeben.

Für diese Sonderausgabe haben unsere Mitarbeiter aus modernen und alten Quellen geschöpft und waren bemüht, einen oder mehrere Aspekte dieses kosmischen und doch sehr menschlichen Themas darzustellen. Wir sind aufrichtig davon überzeugt, daß wir für die Bewältigung der Herausforderungen unseres Lebens viel Hilfe gewinnen, wenn wir eine ungefähre Vorstellung von dem Panorama haben, das sich uns erschließt, wenn wir uns selbst als kosmische Pilger betrachten.