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Unsere Ziele

Wer ist der Mensch? Ein im Werden begriffener Gott oder ein biologisches Spielzeug, ein Zufallsprodukt des Lebens in einem Kosmos, in dem sonst keine intelligenten, empfindenden Wesen leben? Wie seltsam, daß von allen Reichen der Natur nur wir allein nicht wissen, wie wir in Harmonie mit der universalen Ordnung leben sollen. Noch merkwürdiger ist, daß wir unsere Herkunft vergessen haben sollten, obwohl wir aus der von Zeus gegebenen Saat der Göttlichkeit stammen, wo jede einzelne Seele ihrem eigenen "Heimat-Stern"1 zugehört - und dazu, obwohl es kein einziges Atom in den Unermeßlichkeiten des Raumes gibt, das nicht ein mit Leben und dem Willen zu wachsen erfüllter Bewußtseinspunkt ist. Wir müssen uns dringend auf unsere wahre Größe besinnen; daß wir ein Schicksal haben, das unlösbar mit dem jedes anderen Menschen, ja, mit dem jedes einzelnen Lebensfunkens in unserem Sonnenuniversum verbunden ist.

Nachdem Sunrise nun seit über fünfundzwanzig Jahren herausgegeben wird, fragen wir uns, welches Ziel wir eigentlich damit verfolgen. Was erhofft Sunrise vollbringen zu können? Die Empfindung der inneren Einheit zu fördern, das Einfühlungsvermögen für alles, was lebt und atmet - und ganz besonders das für unsere Menschenbrüder -, bleibt im Vordergrund unseres Interesses. Es ist selbstverständlich, daß dies ein langfristiges Ziel ist. Gibt es jedoch ein würdigeres Ideal, als dafür zu arbeiten, daß die universale Bruderschaft wirklich zu einer praktischen Realität wird und nicht nur ein edler Traum bleibt?

Zu diesem Zweck suchen wir den einigenden geistigen Faden in allen Konfessionen, überzeugt, daß sein Vorhandensein immer mehr erkannt wird, denn darin liegt der wichtigste Schritt für den Abbau der Schranken. Da aber unsere innersten Bestrebungen die mächtigsten Antriebskräfte für das Denken und das Verhalten sind, suchen wir unermüdlich nach dem Schimmer des göttlichen Zeichens an den offensichtlichen und an den unvermutetsten Stellen. Obgleich unser Verständnis für die Natur und ihre Geheimnisse unvermeidlich durch unsere eigenen mentalen und spirituellen Schranken - durch unseren eigenen "Ring Überschreite-mich-nicht" -, denen wir bis jetzt nicht entwachsen sind, begrenzt ist, bemühen wir uns dennoch fortwährend um Aufgeschlossenheit für neue Ideen, für neue Wege, für die Entdeckung der Wahrheit, wo immer sie auftauchen mag: in der Werkstatt der Natur, in philosophischen und religiösen Äußerungen von Weisen und Weltlehrern, in den heiligen und profanen Literaturen des Orients und des Okzidents, in den Mythen und Überlieferungen "primitiver" und "zivilisierter" Kulturen der Vergangenheit und der Gegenwart und, nicht zuletzt, in den neuesten Forschungen und Entdeckungen auf allen wissenschaftlichen Gebieten.

Ein klarerer Orientierungssinn ist absolut nötig, wenn wir im Gleichgewicht bleiben wollen bei dem Versuch, den scheinbar unerschöpflichen Zustrom kosmischer und atomarer Daten zu verarbeiten, der nicht nur uns, sondern ebenso alle Erdbewohner beeinflußt. Die Frage, die heute im Vordergrund steht, lautet: Was sollen wir mit diesen vielen Kenntnissen anfangen? Je weiter wir in die Tiefen des Universums eindringen, desto gigantischer und unlösbarer erscheinen unsere menschlichen Probleme; und paradoxerweise, je mehr wir die verborgenen Kräfte der menschlichen Seele erforschen, desto mehr nimmt unsere Verwirrung zu. Unsere Denkorgane mögen die raffiniertesten Computer sein, die es gibt, sie können jedoch nicht die Gesamtheit des Menschen programmieren. Es gibt ein Verlangen, ein drängendes Fragen, das unauslöschlich ist, das nicht unterdrückt werden kann.

Ganz bestimmt gewinnt man einen Überblick von den Bergeshöhen des Geistes, eine Philosophie, die die Sprache des Herzens, der strebenden menschlichen Seele kennt, die sich aber auch an die hochstrebende Intelligenz richtet, die der Mensch darstellt. Im vorigen Jahrhundert wurde ein dynamischer Vorstoß in das Gedankenbewußtsein der Welt unternommen, indem die Öffentlichkeit erneut mit der universalen Weisheitslehre - der theosophia oder "Gottes-Weisheit" des frühesten Altertums - bekanntgemacht wurde, die bruchstückhaft bei allen Völkern und Rassen bewahrt worden war, deren innerer Sinn jedoch seit Jahrhunderten größtenteils übersehen oder vergessen worden ist.

Mit einer wunderbaren, ebenso wissenschaftlichen wie inspirierenden Entfaltung der Schicksalsrolle fügte H. P. Blavatsky die anscheinend zerbrochenen Scherben einer universalen Weisheits-Tradition zu einer lebenden Synthese zusammen und erfüllte sie mit der belebenden Kraft ihrer selbstlosen Ergebenheit für die Wahrheit und mit ihrem reinen Mitleid für ihre Mitmenschen. Wenn sie über kosmische Dinge schreibt, spricht sie zu unserem Herzen: Sie erinnert uns daran, daß das "strahlende Licht", das jede Facette des kosmischen Lebens inspiriert, genau das gleiche Licht ist, das im innersten Kern des Menschen lebt; daß, so wie die himmlischen Welten ins Dasein treten, ihre Lebenszyklen leben und dann sterben, um in einer neuen Erfahrungsrunde wieder zu erscheinen, sobald die Stunde schlägt, dies auch bei dem menschlichen Lebensstrom so ist. Auch wir sind eine Familie, eine Schar sich entwickelnder Wesenheiten, die dazu bestimmt ist, immer wieder von Zeit zu Zeit auf der Erde zu reinkarnieren, in einem ständigen Lernprozeß begriffen, in dem wir säen und ernten und erneut säen, um unsere eigenen Früchte an Charakterqualität zu ernten.

Wir sind aufgefordert, zuerst die Bestrebungen des Geistes, des Bewußtseins zu studieren und dann, in zweiter Linie, die Reaktionen des Verstandes und des Körpers; wir sollten das Leben mit allen seinen Verflechtungen von innen her betrachten, ehe wir versuchen, die verschiedenen Situationen oder Probleme anhand von Informationen, die aus externen Quellen stammen, zu bewerten. Sunrise kann offensichtlich nur eine Ansicht über universale Werte bieten; so tief sich auch der einzelne Schreiber inspiriert fühlen mag, so kann er doch nur seine Wahrnehmung der Wirklichkeit, theosophischer oder anderer Art, wiedergeben, denn niemand kann behaupten, die Perspektive der Wahrheit zu haben.

Daher wird Sunrise seine Bemühungen fortsetzen, Keimideen nicht als begrenzte Dogmen zu verbreiten, sondern als Gesichtspunkte, die im Lichte der überlieferten Weisheit der Zeitalter zu untersuchen sind, wie sie nicht nur in der modernen theosophischen Literatur dargelegt sind, sondern wie sie den Glyphen und Symbolen sowie den mündlichen und schriftlichen Überlieferungen entnommen werden können, die die geistige Geschichte unserer Rasse enthalten. Einfach ausgedrückt, es ist unser Bestreben, in dem Durcheinander der Verworrenheit und im Niedergang der Ideale eine aufrichtige Stimme zu sein; für die Wahrheit, wie wir sie sehen, einzutreten, ohne ängstlich zu sein; ehrlich weiterzugeben, was wir als eine schöne, vernünftige und lebenswerte Philosophie erkannt haben; und vor allem sind wir bestrebt, durch unseren Einfluß die Selbstlosigkeit im Menschen zu verstärken, den starken Strom selbstloser Einstellung, der bereits viel von dem Schlamm der Vorurteile beiseite geräumt hat.

Wer also ist der Mensch wirklich, und was ist er nicht? Er ist Schatten und Wirklichkeit, Tier und Gott; die Vermischung der beiden brachte die Seele hervor - das Kräftefeld all unserer Anstrengungen. Das ist der Kernpunkt des menschlichen Dramas: das Leiden des Menschen, der tief in seinem Innersten weiß, daß er ein Gott ist und doch unfähig, als ein solcher zu leben. Aber auch das ist seine Größe, denn gerade in der Spannung der Gegensätze, in dem Spiel zwischen Geist und Materie, zwischen den "unsterblichen Sehnsüchten" und dem Zug des Sterblichen, des Nützlichen, entwickeln wir uns und lernen im Verlauf der Zeitalter, bewußt zwischen dem Aufbauenden und dem Zerstörenden zu wählen.

Indem wir uns daran erinnern, daß in der Jugend unserer Menschheit göttliche Lehrer unter uns weilten, stimmen wir mit Plato überein, daß die Wahrheiten, die sie in unser Seelengedächtnis einpflanzten, ein wesentlicher Teil von uns bleiben und daß sie nach Belieben zurückgerufen werden können, wenn wir uns nur in die Richtung unserer inneren Sonne wenden. Immer wieder kommen wir zur Erde zurück, um die Verbindung mit diesem eingeborenen Weisheitswissen wiederherzustellen; um erneut zu entdecken, wer wir wirklich sind: Gefährten von Sternen, Milchstraßen und Mitmenschen wie auch von unseren Brüdern des Feldes, des Meeres und des Himmels. Wir glauben zutiefst, daß, wenn wir all das, was in unseren persönlichen Verhältnissen und in unseren sozialen und kommunalen Beziehungen geschieht, aus dieser Perspektive mit dem Auge unseres unsterblichen Selbst betrachten könnten, das von Zeus stammende Licht in uns einen Glanz über unserer Welt ausstrahlen würde, der so weit reicht, daß er jeden Aspekt des menschlichen Lebens umwandeln würde.

Fußnoten

1. Timaeus, 41-42. [back]