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Blitz der Götter

Woher kommt es, daß Jahr für Jahr die Säfte emporsteigen und den kahlen Bäumen Anmut und Schönheit bringen? Was drängt den Mammutbaum, seinen Lebenssaft hundert Meter und mehr emporzutreiben? Was veranlaßt die Samenkörner von Weizen, Gerste und Roggen - wenn sie nach dem magnetischen Nordpol ausgerichtet sind - zu schnellerem Wachstum als sonst? Wohin wir unseren Blick auch wenden, nach unten in die niedrigeren Naturreiche oder nach oben zur Sternenwelt, überall scheint ein Strom von Lebenskraft vorhanden zu sein, ein Kreislaufsystem, eine Energieverteilung in die Vielzahl von Formen, ganz gleich, ob es sich bei diesen Energien um magnetische, elektrische, geistige, materielle oder solche der Schwerkraft handelt. Neue Untersuchungen, die gezeigt haben, daß Pflanzen auf Magnetfelder reagieren, weisen unmißverständlich auf Elektromagnetismus oder eine ähnliche geheimnisvolle Kraft hin, die für das pflanzliche und tierische Leben als wesentlich angesehen werden muß.

Diese Tatsache öffnet die Türen zum Kosmos ganz weit, das heißt, zum innersten Wesen des Bewußtseins. Die Entdeckung, daß pflanzliches Gewebe möglicherweise kosmische Strahlungen übermittelt, bestärkt nur die Weisheit der Antike - und der modernen Theosophie -, daß jedes Lebewesen ein geistiger Dynamo, ein Zentrum ausstrahlender Kraft, ein Brennpunkt des Lichtes ist - Worte reichen nicht aus zur Beschreibung der erstaunlichen Tatsache, daß Leben-Bewußtsein überall vorhanden ist. Und daß ferner die psychomagnetischen Energien, die aus den Tiefen des Raumes hervorströmen, ganz bestimmten Umlaufbahnen folgen, durch Kanäle mit dem geringsten Widerstand, um durch den magnetischen Nordpol in unsere Erdsphäre einzutreten und durch und um unseren Globus zu fließen.

Auch der Mensch ist ein solcher geistig-elektrischer Dynamo, der kosmische und solare Energien für seine menschlichen Erfordernisse umwandelt, der durch die Sonne und aufgrund der gleichgestimmten Verwandtschaft unseres individuellen Magnetismus mit dem Nordpol der Erde aus dem ihn umgebenden Weltraum Strahlungen aufnimmt. So wie es einen Strom gibt, der zum Menschen 'herunter' läuft - wenn Worte wie 'herunter' und 'hinauf' überhaupt noch anwendbar sind -, so gibt es auch eine rückläufige Zirkulation 'hinauf', denn in der geoffenbarten Welt ist Bewegung die Grundlage für das Bewußtsein.

Für viele alte Völker waren alle meteorologischen Erscheinungen, die strahlenden Polarlichter eingeschlossen, tätige Götter, verborgene Gottheiten. Blitz, Donner, Sturm, Wind und Regen: Götter? Warum nicht? Oder sollten wir sie lieber als Erscheinungen von Elektromagnetismus, kosmischen Strahlen, solaren und/oder zodiakalen Kräften bezeichnen, die auf die Erde einwirken und mehr oder weniger die Schicksale der Menschen und alle Naturreiche beeinflussen? Es ist nicht unsere Absicht, die Erscheinungen auf der Erde oder am Himmel physikalisch oder astrophysikalisch zu überprüfen, wir wollen sie vielmehr als Analogien betrachten, damit wir unsere gegenseitige Verbundenheit mit jeder kosmischen, menschlichen und atomaren Lebenseinheit besser wahrnehmen können.

Lassen Sie uns den Blitz als passendes Beispiel wählen. Laienhaft gesprochen tritt ein Blitz auf, wenn eine Säule negativ geladener Teilchen, die als 'Leiter' bezeichnet wird, das untere Ende einer Gewitterwolke durchbricht und einen Kanal nach unten bildet. Wenn diese Säule sich dem Boden nähert, löst sie gleichzeitig auf der Erde eine entsprechende positive Ladung aus, aus der sich ein nach 'oben gerichteter' Leiter entwickelt. Das Resultat ist die Verbindung der beiden 'Leiter' in der freien Luft, wodurch der Kanal vollendet wird, durch den dann der Fluß eines Stroms oder 'Rückschlags' von solcher Stärke möglich ist, daß sich der Blitz mit seinem begleitenden Donnerschlag entlädt.

Erkennen wir nicht den Zusammenhang mit uns? Der gleiche Vorgang des Aufstieg-Abstiegs geschieht beständig in unserer vielseitigen Natur: unser innerer Gott, der Vater im Innern, neigt sich unaufhörlich zur Seele hin und bewirkt schließlich durch Anregung und Ansporn eine entsprechende aufwärtsgerichtete Reaktion des Strebens und Wollens in seine Richtung. Der zweifache Prozeß ist für die meisten nicht so dramatisch wie Blitz und Donner. Erstrecken sich die Anstrengungen des Strebens jedoch über viele Leben hinweg und sind die Motive dabei selbstlos, so treten plötzlich Blitze des Lichtes, der Wärme und der erweiterten Wahrnehmung auf - seltene Augenblicke der Erleuchtung, die auf die Seele einstürzen. Sie sind die ersten Anzeichen für einen Zustand, der später zur dauernden Vereinigung mit dem inneren Gott führen kann.

Es gibt Menschen, die diese Vereinigung voll und ganz erreicht haben, die mystische Verschmelzung des Menschlichen mit dem Göttlichen. Das sind die Vorläufer der Menschheit, die durch Willenskraft und mitleidvolles Streben vorausgeeilt sind und mit den Lichtkräften, die von oben im Inneren herabsteigen, Verbindung aufgenommen haben. Wir kennen ihre Namen gut - Jesus, Sankara, Krishna und auch Gautama -, große Gestalten, deren Leben auch heute noch, wo Normen und Werte verwechselt werden, dem Pilger bei seinem Fortschritt auf dem dornigen Pfad der Selbstüberwindung als Leitstern dienen. Es muß noch andere gegeben haben, die den gleichen Weg gingen, doch von ihnen hört man nichts, denn ihr Sieg wird von der Welt nicht wahrgenommen.

In dieser heiligen Zeit des Jahres halten wir Einkehr und denken an ihr Opfer, denn zu dem Zeitpunkt, an dem sich der physische Kreislauf der Sonne erneuert, wenn sie drei Tage und Nächte lang anscheinend stillsteht, ehe sie wieder nach Norden aufsteigt, feiern wir die geistige 'Geburt' der Retter der Menschheit. Auch hier manifestiert sich wiederum der ewige Rhythmus der Natur im Verborgenen und im Sichtbaren: Abstieg-Aufstieg, Tod-Geburt, Finsternis-Licht. Wer und was war Jesus? Einige sagen, er war der Messias, der Christus, der Gesalbte, einer, der die Vereinigung mit dem Vater im Innern erreicht hat. Andere nennen ihn einen Avatâra1, eine göttliche Inkarnation, der eine Göttlichkeit aus dem Höheren verkörperte, damit die Welt Gutes gewinnen kann; und das war er auch. Wieder andere versichern, er sei der einzig geborene Sohn Gottes gewesen, der aus Liebe zur Menschheit gesandt wurde, um denen, die glauben, Rettung zu bringen. Mystisch gesehen bedeutet es, Jesus ist als Christos 'einzig geboren', 'eingeboren' - was soviel bedeutet wie 'aus sich selbst geboren' aus seinem Geist - der durch die buddhische Eigenschaft, die seine Seele transformierte, zu einem Kanal für die erhabene Botschaft geworden war: Der Mensch kann sich selbst retten! War er somit einzig? Nur insofern, daß die Blitzentladung der Wahrheit für jedes einzelne Individuum eine einzigartige Erfahrung ist.

Avatâras inkarnieren nicht beliebig auf der Erde, sondern in periodischen Intervallen, wenn die Bedingungen karmisch und zyklisch geeignet sind. Indem sie den magnetischen Kanälen des Kreislaufs, die den Kosmos mit der Erde verbinden, folgen, erscheinen sie dann, wenn die Erfahrung der Einweihung für eine absteigende Göttlichkeit mit dem aufsteigenden Ruf, der aus den Herzen der Menschen kommt, übereinstimmt. Die Natur ist in ihren Operationen exakt, aber mitleidsvoll. Die Schnittpunkte der menschlichen und göttlichen Zyklen dienen einem doppelten Zweck. Man sagt, daß die 'zweite' oder 'göttliche' Geburt der Großen, wie Christus oder Buddha, um die Wintersonnenwende herum stattfindet, immer dann, wenn die erforderlichen Planeten mit der Sonne in einer Reihe stehen. Die herabsteigende Göttlichkeit kann dann den richtigen Kontakt mit der aufsteigenden Geistseele des auserwählten Trägers herstellen - sei dieser nun Jesus, Krishna oder ein anderer.

Es besteht hier ein wunderbarer Austausch: eine Implosion oder ein Einstrom göttlichen Bewußtseins elektromagnetischen Bahnen entlang, welchen alle Wesen folgen, so wie es ihr Entwicklungsplan vorschreibt, ganz gleich, auf welcher Entwicklungsstufe sie stehen. Gleichzeitig ist es aber auch eine Explosion oder ein Ausstrom so gewaltiger geistiger Kräfte, daß bei ihrem Zusammentreffen der Blitz der Götter herniederfährt, um die Ionosphäre der menschlichen Gedankenwelt wieder mit geistigem Magnetismus aufzuladen.

Was in einer Sphäre geschieht, beeinflußt alle anderen. Wie bescheiden und gleichzeitig frohgestimmt macht uns die Erkenntnis, daß wir alle ebenfalls Lichtbringer werden können, Leiter oder Übermittler inneren Lichtes. Wir brauchen uns nicht um eine große Erfahrung avatârischer Art zu bemühen. Das ist eine Angelegenheit der Zukunft. Unsere gegenwärtige Aufgabe besteht darin, zu prüfen, wie wir unser Leben jetzt veredeln können, damit unsere Bemühungen zu helfen wirklich dem größeren Wohle dienen. So wie unsere Gedanken die Atome unseres Körpers beeinflussen und ihn dadurch gesund oder krank machen, genauso könnte unser geistiges Streben und unser mitfühlendes Interesse für andere gerade die Nahrung sein, die die Götter benötigen, um auf ihren himmlischen Bahnen standhaft zu bleiben.

1978 - Was wird das neue Jahr entfalten? Wenn man aus der jüngsten Vergangenheit Schlüsse zieht, so wird es von Krisen erfüllt und möglicherweise unerfreulich sein. Wenn jedoch jeder von uns in seinem privaten Gedankenleben, wo die wirkliche Arbeit der Weltverbesserung beginnen muß, die notwendigen positiven Maßnahmen ergreift, ist es dann nicht glaubhaft, daß die Menschheit als Ganzes auf dem ersehnten Weg zu einem menschlicheren Leben vorankommen wird?

Fußnoten

1. Das Sanskritwort Avatâra bedeutet wörtlich 'hinüber und abwärts steigen', das heißt, ein 'Abstieg', in obigem Zusammenhang einen Abstieg oder eine Inkarnation einer göttlichen Kraft. Die Hindus berichten von zehn derartigen Inkarnationen ihres Gottes Vishnu, der zweiten Person der Trimurti oder Trinität. Jede dieser Inkarnationen hatte eine andere Form angenommen, wobei in den Naturreichen unter dem Menschen begonnen wurde. Die achte Inkarnation war Krishna, der geistige Vater der Bhagavad-Gita; die neunte Inkarnation war Gautama Buddha; und die zehnte, der Kalki-Avatâra, wird noch in Tausenden von Jahren erwartet. Die Buddhisten nennen ihn Maitreya, den Freundlichen, der wie der Kalki alle geistig Unfruchtbaren wegfegen und den Würdigen Licht und Befreiung bringen wird. [back]