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Der alte Spiritualismus im Gegensatz zum modernen Spiritismus

Aus Fountain Source of Occultism, Seite 574-578.

 

 

Mediumschaft ist keine Gabe, sie ist ein unheilvolles Mißgeschick. Es gibt nichts, was den spirituellen Fortschritt mehr behindert. Sie bringt die Prinzipien der inneren Konstitution in Unordnung und trennt die läuternden Einflüsse des höheren Selbst immer mehr vom niederen Selbst, so daß der Schicksalsweg eines Mediums fast immer bergab führt und man von Glück sprechen kann, wenn er nicht in schwarzer Magie endet. Das Medium ist ein hilfloses Werkzeug in der Gewalt psychischer Kräfte und weiß gewöhnlich nicht, was es tut und was passiert. - Es ist jedem vorbeiziehenden Elemental oder psychischen Energiestrom im Astrallicht ausgesetzt und auch für jeden stark gelenkten und konzentrierten menschlichen Willen ein passives Subjekt.

Dagegen ist ein Mittler (mediator) ein sich seiner selbst voll bewußtes, hoch entwickeltes Verbindungsglied zwischen einer spirituell-intellektuellen Kraft und dem Menschen. Diese Position ist selbstgewählt. Es ist ein ehrenvoller Posten, aber auch voller Gefahren eigener Art, fast immer ist Selbstaufopferung damit verbunden. Außerdem ist der Mittler im menschlichen Leben ein Abbild dessen, was in den göttlichen Reichen einige der höheren Götter sind. Sie opfern sich selbst, damit anderen, die nach ihnen kommen, geholfen werde. Zwischen einem Medium und einem Mittler besteht die gleiche spirituelle und ethische Parallele wie zwischen einem weißen und einem schwarzen Magier - wie zwischen einem Sohn der Sonne und einem Kind des Mondes.

In diesem Zusammenhang sollten wir uns daran erinnern, daß H. P. Blavatsky mit der Instruktion in den Westen kam, in und mit der speziellen Gemeinschaft von Menschen zu arbeiten, die am meisten für die Lehren, die sie bringen sollte, empfänglich waren. Das waren damals die Spiritisten, die in gewisser Hinsicht zu den Aufgeschlossensten jener Zeit zählten, und die mehr oder weniger die Möglichkeit erkannten, daß in dem grenzenlosen Universum außer den toten, seelenlosen materiellen Dingen noch mehr vorhanden sei. H. P. B. schloß sich ihren Reihen an und verfocht in der öffentlichen Presse die Wahrheiten, die sie dort vorfand. Sie wollte diese Menschen zu der Erkenntnis führen, daß es tatsächlich eine spirituelle Welt gibt, daß diese allerdings weit über der astralen Welt liegt; daß ihr Sommerland eine vage und entstellte Vorstellung von Devachan (Himmelswelt) ist und daß die vermeintlichen 'zurückkehrenden Geister' nur die astralen Trugerscheinungen (simulacra) menschlicher Wesen sind - in Auflösung begriffene Wesenheiten, die für einen Umgang völlig ungeeignet sind.

Die Spiritisten hörten nicht auf sie; der Phänomenalismus nahm damals überhand. Ein wackelnder Tisch, ein Klopfen an der Wand oder auf dem Tisch waren ihnen Beweise für die Unsterblichkeit der Dahingeschiedenen. Die Philosophie, die H. P. B. brachte, lehnten sie ab. ...

Die Einstellung des echten Okkultismus zum sogenannten Spiritismus und zum vermeintlichen Umgang mit entkörperten Wesenheiten ist unzweideutig in bestimmten tibetischen Briefen und Manuskripten festgelegt, die von H. P. B. in ihrem Artikel "Tibetan Teachings" - "Tibetische Lehren"1 zitiert wurden. Nach ihrer Aussage handelt es sich bei den folgenden abgedruckten Auszügen um die Ansicht des ehrwürdigen Chohan-Lama, dem "Leiter der Archivare" der Bibliotheken, die Manuskripte über esoterische Lehren enthalten, die den Dalai- und Taschi-Lamas gehörten:

 

"... Wir behaupten, daß es für ein völlig reines 'Selbst' - wenn es vom physischen Körper befreit ist - keine Möglichkeit gibt, in der Persönlichkeit, in der es auf der Erde lebte, in der irdischen Atmosphäre zu verbleiben. Für diese Regel gibt es nur drei Ausnahmen:

Erstens: Das heilige Motiv, das einen Bodhisattva, einen Sravaka oder Rahat veranlaßt, jenen, die hinter ihm geblieben sind, den Lebenden, zum gleichen Segen zu verhelfen; in diesem Fall verbleibt er, um sie entweder auf innere oder auf äußere Weise zu belehren. Zweitens: Jene, die, obwohl sie während ihres Lebens rein, ohne Arg und verhältnismäßig frei von Sünde geblieben sind, sich so ausschließlich mit einer speziellen Idee im Zusammenhang mit einer der menschlichen Mayas beschäftigt haben, daß sie mitten in dieser völligen gedanklichen Absorption sterben. Drittens: Personen, in denen eine intensive und heilige Liebe - wie sie zum Beispiel eine Mutter für ihre verwaisten Kinder empfindet - einen unbezwingbaren Willen hervorruft oder erzeugt, und die, getragen von der grenzenlosen Liebe, in ihrem inneren Selbst mit und unter den Lebenden verbleiben.

Die Zeitperioden, die diesen Ausnahmefällen zugeschrieben werden, variieren. Im ersten Fall besteht auf Grund des Wissens, das der Bodhisattva in seinem Zustand des Anuttara Samyak Sambodhi - das heiligste und erleuchtetste Herz - erworben hat, keine festgelegte zeitliche Begrenzung. Da er daran gewöhnt ist, schon während des Lebens stunden- und tagelang in seiner astralen Form zu verweilen, hat er nach dem Tode die Macht, seine eigenen Bedingungen um sich zu schaffen, die darauf gerichtet sind, die natürliche Tendenz der anderen Prinzipien daran zu hindern, sich mit den betreffenden Elementen wieder zu verbinden, und er kann dann herabsteigen oder sogar Jahrhunderte und Jahrtausende auf der Erde verbleiben. Im zweiten Fall wird die Periode so lange dauern, bis die allmächtige magnetische Anziehung des Gedankengutes - dem im Moment des Todes die intensive Konzentration galt - sich abschwächt und allmählich abklingt. Im dritten Fall wird die Anziehung entweder durch den Tod oder durch die moralische Unwürdigkeit der geliebten Personen unterbrochen. In keinem dieser beiden Fälle kann sie sich über die Zeit eines Lebens hinaus erstrecken.

In allen anderen Fällen von Erscheinungen oder Botschaften - ungeachtet der Methode - wird sich der 'Geist' als ein böser 'Bhuta' oder bestenfalls ein 'Ro-lang' erweisen - als die seelenlose Hülse eines 'Elementarwesens'. ...

Wir lehnen jedenfalls jeden Umgang mit den Ro-lang, der nur von Unwissen zeugt, vorbehaltlos und absolut ab. Denn was sind die Zurückkehrenden? Was für Kreaturen sind es, die nach Belieben direkt oder durch psychische Manifestationen Verbindung aufnehmen können? Es sind unreine, grobsündige Seelen, 'A-tsa-ras'; Selbstmörder; und solche, die durch Unfall vorzeitig sterben und nun in der Erdatmosphäre verharren müssen, bis ihre natürliche Lebenszeit voll abgelaufen ist. ...

Jene Wesen, die zu der zweiten und dritten Klasse gehören, - Selbstmörder und Unfallopfer - haben ihre natürliche Lebensperiode noch nicht vollendet. Infolgedessen sind sie, was nicht notwendigerweise nachteilig sein muß, erdgebunden. Die vorzeitig verdrängte Seele befindet sich in einem unnatürlichen Zustand; der ursprüngliche Impuls, vom dem das Wesen evolviert und in das Erdenleben gebracht wurde, hat sich noch nicht erschöpft - der notwendige Zyklus ist noch nicht vollendet, muß aber nichtsdestoweniger erfüllt werden.

Obwohl erdgebunden, sind diese unglücklichen Wesen - freiwillige oder unfreiwillige Opfer - in der magnetischen Anziehung der Erde sozusagen nur festgehalten. Sie werden nicht, wie die erste Klasse, auf Grund eines ungezügelten Durstes, ihre Vitalität zu nähren, zu den Lebenden hingezogen. Ihr einziger Impuls - und zwar ein blinder, weil sie sich im allgemeinen in einem betäubten oder gelähmten Zustand befinden - besteht darin, so schnell wie möglich in den Wirbel der Wiedergeburt zu geraten. Ihren Zustand nennen wir ein falsches Bar-do - die Periode zwischen zwei Inkarnationen. Dem Karma des Wesens entsprechend, - das vom Alter und seinen Verdiensten in der letzten Geburt bestimmt wird - wird dieses Intervall länger oder kürzer sein.

Nichts, außer einer übermächtigen, intensiven Anziehung, wie z. B. eine heilige Liebe für einen geliebten Menschen, der sich in großer Gefahr befindet, kann diese Wesen mit ihrer Zustimmung zu den Lebenden ziehen. Die mesmerische Kraft eines Ba-po, eines Nekromanten, - das Wort ist bewußt gewählt, weil der nekromantische Bann Dzu-tul ist oder das, was Sie mesmerische Anziehung nennen - kann sie jedoch in unsere Gegenwart zwingen. Diese Beschwörung wird indes von allen, die sich an die Gute Lehre halten, absolut verworfen; denn die so beschworene Seele muß außerordentlich leiden, auch wenn sie es nicht selbst ist, sondern nur ihr Bild, das von ihr abgezogen oder herausgerissen wurde, um die Erscheinung zu bilden. Da die 'Jang-khog' - animale Seele - durch Gewalt vorzeitig vom Körper getrennt wurde, ist sie noch schwer mit materiellen Partikeln beladen - eine natürliche Desintegration der gröberen von den feineren Molekülen hat noch nicht stattgefunden, und da nun der Nekromant die künstliche Trennung (der Seele) erzwingt, wie man beinahe sagen könnte, muß sie so leiden, wie jemand von uns leiden müßte, wenn man ihm die Haut bei lebendigem Leibe abziehen würde.

Die Heraufbeschwörung der ersten Klasse - der grobsündigen Seelen - ist daher für die Lebenden gefährlich. Die zweite und dritte Klasse zum Erscheinen zu zwingen ist eine unbeschreibliche Grausamkeit für die Toten.

Ist ein Mensch eines natürlichen Todes gestorben, so herrschen vollständig andere Bedingungen: Die Seele ist fast - und bei großer Reinheit vollständig - außerhalb der Reichweite eines Nekromanten und deshalb außerhalb eines Zirkels von Beschwörern oder Spiritisten, die, ohne daß es ihnen bewußt ist, eine wirkliche nekromantische Sangnyag praktizieren, eine magnetische Beschwörung. ...

Auf alle Fälle hat die Seele weder den Willen noch die Kraft, zu dieser Zeit irgendeinen Gedanken den Lebenden zukommen zu lassen. Wenn aber die Latenzperiode vorüber ist und das neue Selbst in vollem Bewußtsein die gesegnete Region Devachans betritt, - wenn alle irdischen Nebel zerstreut sind und die Szenen und Beziehungen des vergangenen Lebens klar vor sein geistiges Auge treten - dann kann es geschehen, - und es geschieht auch gelegentlich - daß, wenn dieses Selbst alle erspäht, die es liebte und von denen es auf Erden geliebt wurde, es die Geister der Lebenden allein durch die Anziehungskraft der Liebe zu sich emporzieht und mit ihnen vereint ist. Wenn diese dann in ihren normalen Zustand zurückkehren, meinen sie, der Verstorbene sei zu ihnen herabgestiegen.

Wir unterscheiden uns deshalb grundlegend von den westlichen Ro-lang-pa - Spiritisten - in bezug auf das, was sie sehen oder womit sie sich in ihren Zirkeln und durch ihre unbewußte Nekromantie verbinden. Wir sagen, es handelt sich nur um den physischen Abfall, um das geistlose Überbleibsel des verstorbenen Wesens. Es ist das, was abgestoßen, weggeworfen und zurückgelassen wurde, als seine feineren Teile aufwärts in das große Jenseits hinüber gingen.

In diesem Abfall verbleiben noch Fragmente des Gedächtnisses und des Intellekts. Gewiß, einst war er ein Teil des Wesens und besitzt daher noch ein wenig Anziehungskraft; aber in Wahrheit und Wirklichkeit ist er nicht das Wesen. Er ist aus Materie geformt, wie ätherisch er auch immer sein mag, und wird daher früher oder später zu den Strudeln hingezogen werden, wo die Voraussetzungen für seine atomare Auflösung vorhanden sind. ...

So lautet die Lehre. Niemand kann Sterbliche überschatten, nur die Erwählten, die 'Vollendeten', die 'Byang-tsiub' oder die 'Bodhisattvas' allein, - sie, die das große Geheimnis des Lebens und des Todes ergründet haben - da sie imstande sind, ihren Aufenthalt auf der Erde nach dem 'Sterben' beliebig zu verlängern. In gewöhnliche Ausdrucksweise übertragen bedeutet ein solches Überschatten, 'wieder und wieder geboren zu werden', zum Wohle der Menschheit."

 

Aus all dem geht hervor, wie unsinnig es ist anzunehmen, daß das exkarnierte Wesen mit den Hinterbliebenen durch Medien oder auf andere Weise in Verbindung treten könne. Nichtsdestoweniger kann eine Verbindung mit 'erdgebundenen' Wesen, wie den Elementarwesen, möglich sein, wenn die Bedingungen für dieses sehr gefährliche, geistig und mental nicht förderliche Vorgehen geeignet sind.

Spiritismus ist der Menschheit seit Millionen Jahren bekannt. Von der Mitte der vierten Wurzelrasse an (der Atlantischen) hat der Umgang mit abgeschiedenen Schatten und ihre Verbindung mit sogenannten psychischen Kräften im Menschen eine ganz bestimmte Art von Menschen schon immer angezogen. Die Verbindung mit den Bhutas wurde jedoch in alten Zeiten und im Orient auch heute noch als unrein, unrecht und moralisch ungesetzlich angesehen. Das Wort Bhuta, mit der Bedeutung 'ist gewesen', ist selbst ein ungewöhnlich kennzeichnender und passender Ausdruck. Andererseits war der von H. P. B. gelehrte Spiritualismus die Lehre vom kosmischen Geiste: Spiritualismus im Gegensatz zu Materialismus.

Wahrer Spiritualismus hat nichts mit Nekromantie zu tun, denn der Spiritualismus des Altertums lehrte, daß die Welt eine große lebende, organische Wesenheit ist, zusammengesetzt aus kosmischen Wesen, und daß jeder Mensch in seinem Innersten ein solches kosmisches Wesen ist und die Pflicht und das unbeschreibliche Privileg hat, durch seinen eigenen inneren Gott mit den geistigen Reichen in Verbindung zu treten. Man war auch der Meinung, daß jeder Mensch ein Mittler werden sollte - ein Bindeglied zwischen den göttlichen und den niederen Reichen; und ferner, daß jede selbstbewußte Wesenheit genauso groß ist wie ihr Verhältnis als Mittler zwischen der göttlichen Sonne und den Menschen.

Das ist in Kürze der Spiritualismus von H. P. Blavatsky, der Spiritualismus der Völker des Altertums, die Weisheitsreligion der Menschheit, den die Theodidaktoi - die 'Gottgelehrten' - in den Ländern um das Mittelmeer, etwa zur Zeit der Geburt Jesu, des Avatara, und auch in den Tempeln Ägyptens, Persiens und Babyloniens gelehrt hatten. In Indien wurde er Brahmavidya oder in mehr esoterischem Sinne Guptavidya genannt, die Theosophie, die auch bei den Druiden, bei den alten Amerikanern und Skandinaviern, ja, in der ganzen Welt gelehrt wurde.

Fußnoten

1. Lucifer, September und Oktober 1894, Seite 15, 98-101. [back]