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Über Marihuana

Mit Genehmigung der Myrin Institute, Inc., wiedergegeben.

 

Schon im Jahre 1960 hatte Dr. Winkler sich gegen den Gebrauch psychotroper (auf die Psyche wirkender) Drogen für nichtmedizinische Zwecke gewandt. Seine Artikel erschienen in Zeitschriften, und er hielt Vorträge an Universitäten. Kürzlich sprach er darüber auch in einem einstündigen Fernsehinterview, das von der Capital Cities Broadcasting Corporation gesendet wurde und jetzt in den Städten ganz Amerikas zu sehen ist. Dieses Interview mit Dr. Winkler über den Gebrauch von Marihuana läuft unter dem Titel: "Was ist mit der Familie los?" Auch bei seinem Auftritt im WNBC Fernsehprogramm im Februar, der unter dem Motto lief: "Nur für die Frau.", erwähnte er dieses Thema. Der Brief, der hier abgedruckt wird, wurde als Antwort auf eine der Tausenden von Anfragen geschrieben, die Dr. Winkler nach seinem letzten Auftreten erhielt. ...

Dr. Winklers Buch, Man: The Bridge Between Two Worlds (Der Mensch, die Brücke zwischen zwei Welten), wurde von Harper u. Row herausgegeben. ... Das Buch wurde unlängst vom Verlag Gilbert Church, New York, N. Y., neu verlegt (im englischen Sunrise, August 1960, besprochen).

 

 

 

13. Februar 1970

Sehr verehrte Mrs. K.!

Ihre Anregung greifen wir gern auf. Da es aber von meinen Ausführungen über Marihuana, die ich während der Fernsehdiskussion in der ersten Woche dieses Monats machte, keine Aufzeichnungen gibt, will ich versuchen, Ihre Fragen in einer kurzen Zusammenfassung meiner Ansicht zu beantworten.

Obgleich es nach den bestehenden Gesetzen keinen Zweifel darüber gibt, daß die Mehrheit der Wissenschaftler sich darüber im klaren ist, welchen Schaden die Droge dem Organismus in körperlicher, geistiger und in genetischer Hinsicht verursacht, können Jahre vergehen, bevor genügend Krankengeschichten jener Fälle gesammelt werden können, die einen unwiderlegbaren Beweis liefern. Dann wird es aber für Millionen zu spät sein.

Unglücklicherweise erklärt eine Gruppe (hoffentlich) wohlmeinender, aber sicherlich irregeleiteter Personen öffentlich, Marihuana sei harmlos. Dabei besitzen sie weder die Erfahrung noch die Möglichkeit für ein verläßliches Urteil über diese Materie. Soziologisches Wissen oder Kenntnisse auf anderen nichtmedizinischen Gebieten mögen zwar bedeutsam sein, aber auf sachfremden Gebieten zählen sie einfach nicht. Die amerikanische Öffentlichkeit ist jedoch von den Aussagen eines Experten so überzeugt, daß sie bereitwillig seine Anschauungen auch über ein Gebiet, von dem er nichts versteht, akzeptieren wird, wenn er nur auf einem anderen Sachgebiet hervorragend Bescheid weiß.

Das Versagen der Mediziner, die sich der tückischen, aber meiner Meinung nach verheerenden Wirkung von Marihuana nicht bewußt sind, mag folgenden Grund haben: Der unmodern gewordene Hausarzt hätte diese Wirkungen sehr schnell bemerkt und ihre Ursachen beseitigt. Selbst der praktische Arzt von heute wäre immer noch in der Lage, die zerstörende Wirkung von Marihuana zu unterscheiden.

Da nun einmal mein besonderes medizinisches Interesse der Gesundheit der Persönlichkeit als Ganzes gilt, habe ich 38 Jahre lang versucht, mir Freunde unter den ganz kleinen Kindern zu gewinnen und ihr Vertrauen und ihre Freundschaft während der Entwicklungsjahre und auch wenn sie erwachsen sind, weiterhin zu behalten. Meine Praxis schließt außerdem ständig eine Schar junger Leute ein, die einen meiner Vorträge gehört haben, die eine meiner Veröffentlichungen lasen oder eine meiner Fernsehsendungen gesehen haben. Sie kommen nicht als Patienten zu mir, sondern lediglich, um ihre Ansichten über das Leben mit einem älteren Menschen zu erörtern. Auf diese Weise kenne ich viele Leute schon seit langem, nicht nur als Arzt, sondern als Freund. Unter ihnen gibt es solche, die das eine oder andere Mal Marihuana genommen haben. Sie haben mir damit die Möglichkeit gegeben, die Wirkung auf die tieferen Schichten der Persönlichkeit zu beobachten, Schichten, die einem gelegentlichen Beobachter sehr wohl verborgen bleiben. Durch diese langjährigen Erfahrungen bin ich zu dem Schluß gekommen, daß der Mißbrauch von Marihuana eine der Haupttragödien unserer Zeit ist. Harte Drogen dagegen, die viel offensichtlicher körperlichen und geistigen Schaden verursachen, werden hauptsächlich von Leuten genommen, die bereits vom Leben enttäuscht worden sind und nun durch Drogen eine Möglichkeit des Vergessens suchen. Der Gebrauch von Marihuana ist deshalb so verhängnisvoll, weil diese Droge nicht nur die Neurotiker und die schon Angeschlagenen anzieht, sondern auch die gesunden jungen Leute, die damit nichts Schlimmeres suchen als Zeitvertreib oder die Erweiterung des Bewußtseins. So werden oft die prächtigsten jungen Leute aus reiner Unwissenheit zu einer allmählichen Auflösung ihrer Persönlichkeit verdammt, nur weil eine Generation von Eltern, Lehrern und Ärzten, selbst zu unwissend, unerfahren und oft zu beschäftigt oder zu unaufmerksam ist, um auf irgend jemanden anderes als auf sich selbst richtig aufzupassen.

Eine der ersten Wirkungen beim Gebrauch von Marihuana und Haschisch ist ein fortschreitendes Nachlassen der Willenskraft, das für den geschulten Beobachter bereits nach etwa sechs Wochen mäßigen Gebrauchs wahrnehmbar ist. Dieser Verlust der Willenskraft schwächt die Fähigkeit, dem süchtigen Verlangen zu widerstehen, so daß diejenigen, die Marihuana verwenden, nur zu oft den Drogen-Pushern, Erpressern und abartig veranlagten Individuen zum Opfer fallen. Bald verschwindet jede Fähigkeit zu echter Freude, sie wird durch eine lärmende, vorgetäuschte Fröhlichkeit ersetzt. Während sich gesunde Teenager eifrig allen möglichen Betätigungen hingeben, zum Beispiel dem Sport, dem Wandern, künstlerischen Bestrebungen usw., werden die Marihuana-Konsumenten immer mehr dazu neigen, endlos über große Ziele zu reden, ohne etwas in dieser Richtung zu tun. Sportliche Fähigkeiten verkümmern ausnahmslos, wenn Marihuana genommen wird. Künstlerische Betätigung wird bedeutungslos, sie verliert alle schöpferische Kraft. Anstatt andere kraftvoll überzeugen zu wollen, wird jemand, der Marihuana nimmt, mehr in sentimentalen Gefühlen schwelgen. Da die Droge Hemmungen beseitigt, kann die Sexualität für kurze Zeit angeregt werden, geht aber innerhalb weniger Jahre immer mehr zurück und läßt die Männer impotent und die Frauen frigid werden.

Ich bin mir bewußt, daß die meisten gewohnheitsmäßigen Pot-Raucher sich weigern, meine Ansichten guten Glaubens anzunehmen. Ich mache ihnen deshalb in der Regel folgenden Vorschlag: "Überprüfen Sie unabhängig alles selbst. Wählen Sie irgendeinen aus der Mitte Ihrer Klassenkameraden, Ihrer Freunde oder Verwandten aus, der wenigstens ein Jahr lang Marihuana genommen hat, den Sie aber gut kannten, bevor er anfing, diese Droge zu nehmen. Dann vergleichen Sie seine derzeitige Persönlichkeit mit derjenigen, die er früher war.

Wenn Sie nicht feststellen, daß er zu einem leeren Gehäuse geworden ist, und dabei ist, ein erbarmungswürdiges Zerrbild seines früheren Selbstes zu werden, dann werde ich keinen weiteren Versuch machen, Sie zu überzeugen." Ich kann mich an keinen einzigen Oberschüler oder Studenten erinnern, der diese Nachforschung ernsthaft durchgeführt hat, und nicht, tief erschrocken über diese Erfahrung, umgekehrt ist. Die meisten faßten nicht nur den Entschluß, die Droge nie mehr zu nehmen, sondern sie starteten einen außerordentlich wirksamen Aufklärungsfeldzug unter ihren Altersgenossen. Es ist sehr bedauerlich, daß die Menschen nicht scharf genug beobachten, um die verhängnisvolle, schwer bestimmbare Veränderung bei sich oder bei anderen feststellen zu können, es sei denn, ihre Aufmerksamkeit wird direkt darauf gelenkt.

Oft hört man das Argument, Alkohol sei ebenso schlimm wie Marihuana. Das stimmt jedoch nicht, weil die nachhaltigen Wirkungen mäßiger Alkoholmengen minimal sind im Vergleich zu der schädlichen Wirkung einiger Marihuana-Zigaretten, die täglich geraucht werden. Eine Krankheit wird nicht harmloser, wenn man feststellt, daß eine andere ebenso schlimm ist. Außerdem haben sich sehr viele Marihuana-Raucher zusätzlich dem Alkohol ergeben, wenn die Droge nicht mehr genügt, die wachsende Verzweiflung ihrer inneren Leere zu übertünchen.

Ergebenst, Franz E. Winkler, M. D.