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Unsere wichtigste Aufgabe

Im Drang der täglichen Pflichten ist es unumgänglich, mit den Begriffen der Gegenwart zu denken und zu arbeiten; wenn wir uns aber vom flüchtigen Augenblick zu sehr gefangen nehmen lassen, können wir von unserem Weg abkommen und dadurch den Überblick über den größeren Zeitablauf verlieren. Sollten wir nicht das Wachstum des Menschen, so wie die Wissenschaft es macht, in Begriffen von Jahrtausenden sehen?

Wenn wir den Augenblick, das Jahr, im Verhältnis zu den größeren Zyklen betrachten, verlieren die Probleme, die uns im Augenblick beschäftigen, in dem Maße an Bedeutung, in dem wir den Zeithorizont, der uns umgibt, vergrößern; und genauso ist es, wenn der Horizont unseres Denkens erweitert wird: als einzelne werden wir dann immer weniger wichtig, und schauen wir noch weiter, so verlieren sogar Nationen ihre Selbstüberschätzung. Regierungsformen, Nationen, Zivilisationen und auch Rassen kommen und gehen. Eine Konstante bleibt jedoch - der Mensch: der immer fließende Lebensstrom der Menschheit, die diesen Globus bewohnt. Wir, die wir heute diesen Lebensstrom verkörpern, sammeln beständig Erfahrungen, die der Gesamtsumme der Erfahrungen ungezählter vorausgegangener Generationen hinzugefügt werden.

Wofür lebten diese unzähligen Generationen? Nur für sich selbst? Vielleicht haben sie das geglaubt, genauso wie wir heute. War es aber wirklich so? Zum großen Teil lebten sie für uns, ebenso wie wir für die nachfolgenden Generationen leben, ob wir uns dessen bewußt sind oder nicht. In der Entfaltung der natürlichen evolutionären Entwicklung hat jeder einzelne, der uns vorausging, mit seinem Leben dazu beigetragen, daß wir leben können; und weil der Lebensstrom der Seelen auf der Suche nach Erfahrung weiterfließt, werden wir unsererseits unseren Beitrag für die Menschen der Zukunft leisten.

Es gibt ein Schicksal, das die Menschen zu Brüdern gemacht hat, eine edle Bestimmung, die über unseren gewohnten Gesichtskreis hinausreicht und uns vorwärts zu Zielen der Vollendung führen wird, die wir intuitiv erahnen, jedoch nicht ergreifen können. Wir Menschen leben dieses Schicksal.

Der Mensch wird immer den Untergang von Nationen, Zivilisationen und Rassen überleben. So war es in der Vergangenheit und so wird er auch die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinden. Moralische Kraft und Mut sind ihm eingepflanzt, nicht nur von lebenslänglichen Anstrengungen, sondern auch verstärkt und bereichert durch die Opfer aller, die vor uns lebten - Opfer, die den Lebenswillen und den Drang, für die Zukunft zu arbeiten, in den menschlichen Charakter eingepflanzt haben.

Das kann nur eines bedeuten: Wir leben und wirken für andere. Wenn wir die sterblichen Hüllen abwerfen, hinterlassen wir ein Erbe - ein unsterbliches Erbe. Wie unbedeutend und gering es auch scheinen mag, wir vermachen der Menschheit das, was wir sind. Der Wert unseres Lebens ist nicht verloren. Er bleibt und wird in das Reservoir des Bewußtseins aufgenommen, das durch die künftigen Menschengeschlechter zum Ausdruck kommt.

So ist der Mensch von Rasse zu Rasse weitergeschritten, und hat nach Verfall und Ende jeder vorangegangenen Zivilisation immer wieder neu aufgebaut. Wenn wir unseren Blick nur auf wenige Jahrhunderte begrenzen, besteht die Gefahr, daß wir den Faden unserer wirklichen Bestimmung aus den Augen verlieren. Der Faden ist jedoch ohne Ende, er rollt sich auf und windet seinen spiralförmigen Weg durch die Zyklen, einem neuen goldenen Zeitalter entgegen - einem Zeitalter, das durch den Beitrag, den jeder von uns zum Wohle aller leistet, ermöglicht wird. Es ist keine spektakuläre Angelegenheit, die von hörbaren und lautstarken Fanfarenstößen begleitet ist. Sie ist so leise wie ein Gedanke und geht in der Stille vor sich - in der Stille des Herzens eines jeden von uns, wenn wir unsere absolute gegenseitige Abhängigkeit erkennen, wenn wir danach trachten, den anderen Gefährten zu verstehen und ihm helfen, uns zu verstehen, und wenn wir uns - wie kurz auch immer - mitleidsvoll jenen zuwenden, die wie wir sich abmühen.

Die Welt bietet größere Gelegenheiten als sie der Mensch seit Jahrhunderten vorfand, Gelegenheiten, die ein nicht abzuschätzendes Versprechen für die Zukunft geben. Es ist unser aller Pflicht, uns bewußt zu entschließen, uns für das Wohl unserer Mitmenschen einzusetzen. Diese Aufgabe ist wichtiger als alles andere.