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Über die Weite des Universums

Wenn man sich von den langen Zeitspannen der Evolution, die sich vom Trilobiten und vom Seewurm bis zum Menschen über mehrere hundert Millionen Jahre erstrecken, einschüchtern und verwirren läßt, so muß man bei Betrachtung des astronomischen Raumes noch erschreckter und bestürzter sein. In unserem Zeitalter der unglaublich weitreichenden Forschung, wo Kopernikus und Galilei nur mehr als zaghafte Forscher von ehedem betrachtet werden, haben sich vor uns Welten, jenseits von Welten, Sonnen jenseits von Sonnen, Milchstraßen jenseits von Milchstraßen in unvorstellbaren Millionen erschlossen. Alle wirbeln mit Hunderten von Millionen oder Milliarden Gestirnen durch Unendlichkeiten, wobei ihr Licht in manchen Fällen Tausende und Abertausende von Jahren brauchte, bis es die Linsen unserer Kameras erreichte. Dem Schauspiel solcher Unermeßlichkeit gegenübergestellt, bleibt der Verstand erschreckt und überwältigt beinahe stehen, und ein Gefühl der Hilflosigkeit kommt auf, wenn jede Erweiterung unserer teleskopischen Sichtweite neue Geheimnisse hinzufügt. Das fängt bei den anscheinend sehr großen unerklärten Quasaren oder "Quasi-Sternen" an und geht bis zu den Pulsaren und Radio-Sternen mit ihren alarmierenden Signalen, den Anzeichen eines explodierenden Universums, in dem alle Sterne und Milchstraßen mit unglaublicher Geschwindigkeit von uns wegfliegen.

Ein solches Schauspiel genügt, um den Menschen seine eigene mikroskopisch kleine Unwichtigkeit spüren zu lassen. Auch sein Ich-Bewußtsein, das Gefühl seiner Wichtigkeit und seiner Stellung im Universum, wird durch die vorherrschende Annahme der Astronomen ganz und gar nicht bestärkt. Er sieht, daß er nicht einmalig ist, daß sich unter den unzähligen Milliarden von Globen, Millionen, vielleicht Hunderte von Millionen, möglicherweise Milliarden befinden müssen, die intelligentes Leben beherbergen. Solches Leben ist, wie wir annehmen können, wahrscheinlich nicht menschlich. Auf jeden Fall sind die Schranken für die gegenseitige Verbindungsmöglichkeit riesengroß und wahrscheinlich sogar unüberbrückbar. Könnte jedoch eine Bestätigung für das Vorhandensein solchen Lebens erbracht werden, so würde unserer überlieferten falschen Vorstellung, daß wir im Universum von höchster Wichtigkeit sind, der Todesstoß versetzt. Nein, wohin wir auch immer schauen, wir sind unbedeutend und haben uns, wie das Aufleuchten eines Glühwürmchens, nur für eine kurze Zeit in einer uns verschlingenden Leere verirrt.

Deshalb ist es nur allzu glaubhaft, daß der Geisteszustand durch die gewaltigen Perspektiven der modernen Astronomie aufgerüttelt wird. Und gerade ein solcher Geisteszustand kann zu dem Unbehagen dieses Zeitalters beitragen, zu Ruhelosigkeit und dem Gefühl der Sinnlosigkeit, sowie zum Abirren in den Zynismus des überzeugten Egoisten, der seinen Tropfen Nektar schlürft, solange es noch Zeit ist, und keine andere Pflicht oder Verantwortung kennt. Es ist tatsächlich eine Ironie, daß eine solche negative Haltung aus den veröffentlichten Bemühungen der Forscher kommen kann, wobei in einigen die erhabensten Flüge, die der menschliche Geist je gemacht hat, zum Ausdruck kommen und rein wissenschaftliche Ziele verfolgt werden. Dabei sollten doch gerade diese Flüge zeigen, daß wir mehr sind als nur die Atome in unserer irdischen Hülle; auch sollten sie uns die Gewißheit geben, daß, wer die Größe hat, das Universum zu inspizieren und darüber nachzusinnen, auch ein bedeutender Teil dessen sein kann, über das er nachsinnt.

Haben wir wirklich Grund, vor den Bildern, die die Astronomen schildern, demütig und entmutigt zu sein? Ich für meinen Teil habe nie so empfunden; im Gegenteil, ich habe dabei größeren Auftrieb erhalten. Schon als Kind von acht oder neun Jahren habe ich in einer Art instinktiven Begreifens schon immer so empfunden. Ich blickte zum Nachthimmel auf, und mein Vater sagte mir, daß die Sterne Welten seien, auf denen es lebende Wesen gibt, wie wir es sind. Inzwischen ist die ganzen Jahre hindurch, seit ich von jenen Worten bezaubert wurde, das Licht der Sterne viele Milliarden Meilen gewandert, und auf der Erde hat es große Veränderungen gegeben, doch ich habe nie die Erregung vergessen, die mich damals durchbebte, noch habe ich die intuitive Betrachtungsweise aus längst vergangener Zeit gänzlich verloren. Wenn heute die Astronomie in bisher ungeahnte Gebiete vorstößt, empfinde ich bei ihren Enthüllungen immer noch eine Inspiration, aber keinen Grund zu Pessimismus oder Verzweiflung.

Ich war niemals der Meinung, daß sich der Mensch durch die Unermeßlichkeit des Universums unbedeutend fühlen muß - so wenig wie ein Bürger der Vereinigten Staaten Minderwertigkeitsgefühle haben muß, weil er nur einer in einer Nation von Hunderten, oder Millionen ist, statt ein Teil einer kleineren unabhängigen Gemeinschaft, wie - sagen wir - Malta oder die Pitcairn-Insel. Im Gegenteil, ich fühle mich durch die Belehrungen über die Dimensionen des Universums, die wir mit jeder Vergrößerung der astronomischen Kamera und durch die erstaunlichen Vermittlungen der Radioastronomie erhielten, erhoben. Ich fand (um einen Ausspruch des amerikanischen Dichters George Sterling zu gebrauchen), daß in dem himmlischen Schauspiel "die kosmischen Gezeiten mehr als bloßer Schaum krönt", daß es keinen "Kampf wetteifernder Himmel" gibt, und daß die schöpferische Macht, was immer sie sein mag, - und die Ausdehnung ihrer Schöpfung weist auf etwas hin, das den konventionellen Gott weit überragt -, viel mehr darstellt als das blinde und mechanische Wirken eines unerforschlichen Gesetzes. Und vielleicht hat sie die Antwort auf unsere Fragen im Universum selbst in einer Sprache niedergeschrieben, die für uns nicht ganz unerklärlich ist. Wahrscheinlich stellen jene kreisenden Milchstraßen, jene Milliarden über Milliarden Sonnen, von denen eine große Zahl unserer Sonne mehr oder weniger ähnlich ist und fähig, lebenerzeugende Planeten unschätzbare Zeitalter lang mit ihrem Licht und ihrer Wärme zu versehen, nicht die zufälligen Nebenprodukte der Unordnung dar, sondern zeigen vielmehr eine erhabene Ordnung, deren Ausgangspunkte Intelligenz und Planung sind.

Ohne Zweifel gibt es hier vieles, das das menschliche Verständnis übersteigt. Wir sollten jedoch nicht vergessen, daß uns dasselbe menschliche Verständnis befähigt, tief in den Himmel vorzudringen und Milchstraßen in Sterne zu zerlegen. Und dieses menschliche Fassungsvermögen kann über die Sterne hinaus ergründen, daß wir Teile einer Wirklichkeit sind, die größer ist als wir uns vorstellen können, während sich alle Dinge vom Proton bis zum Insel-Universum auf ihrem Weg in der unaufhörlichen Weiterentwicklung eines gewaltigen Planes und Zieles bewegen. Ich kann nur annehmen, daß in einem solchen Plan oder Zweck das Leben den Mittelpunkt bilden muß. Es muß auf das Leben, das bewußte und erkennende Leben, zurückzuführen sein, daß uns der große Andromeda-Nebel über eine Entfernung von zwei Millionen Lichtjahren winkt, und daß uns Lichtpunkte, die tausendmal so weit wie der Andromeda-Nebel entfernt sind, über diese unvorstellbaren Entfernungen in die Augen springen. Das Universum ist so groß, wie die Vorstellung, die der Mensch sich davon machen kann, und der Mensch wird dadurch erhöht, daß er ein Teil dieser Größe ist.

Es gibt jedoch noch andere Wege, die Unermeßlichkeiten der Astronomie zu betrachten. Müssen wir wirklich alles nach einem physischen Maßstab beurteilen? Was hat es schon zu bedeuten, wenn der Himmel so gewaltig groß ist, daß sich der Verstand nicht einmal den Umfang einer Wega oder eines Arkturus als nur einen winzigen Bruchteil der Entfernung vorstellen kann, die uns von jenen Welten trennt? Können die tieferen Realitäten überhaupt gemessen werden? Kann ihre Bedeutung nach ihrem Gewicht, ihrer Masse, ihrer Ausdehnung im Raum bewertet werden? Wie groß ist das Gewicht, die Masse oder die Ausdehnung der Philosophie Platos? Stimmt es etwa nicht, daß die dauerhaftesten Werte nicht mit dem Maßstab gemessen werden können? Müssen wir dann durch das Ausmaß der Sterne entmutigt werden? Das Gedicht eines Vergil oder Dante kann mehr bedeuten als eine Million Sonnensysteme zusammen. Muß also die immer größere Besitzergreifung des Raumes bei uns Befürchtungen und Verzweiflung hervorrufen? Wenn wir einmal verstanden haben, daß die wirklichen Maßstäbe in uns sind, sind wir dann nicht für immer von unserer Angst vor bloßer Größe an Zeit und Raum befreit?

Ganz abgesehen von alledem haben wir Hinweise, daß Dauer und Größe - die Dimensionen von Zeit und Raum - nur relativ sind, und zwar nicht nur im Einsteinschen Sinne. Wenn der Mensch im Verhältnis zu den Sonnen und Milchstraßen zu einem Punkt zusammenzuschrumpfen scheint, so dürfen wir nicht vergessen, daß es auch nach unten ein Universum aus unvorstellbar kleinen Einheiten wie Atomen, Protonen und Neutronen gibt. Man sagt, daß sie im Verhältnis zum Menschen so klein sind, wie dieser dem Sonnensystem gegenüber. Mehr noch, manche dieser winzigen Teilchen existieren so kurze Zeitperioden, daß sie für unsere Sinne nicht wahrnehmbar sind, zum Beispiel, wenn eine als Meson bekannte Partikel, die nur eine aus einer Anzahl unbeständiger Partikel ist, nur eine zweimillionstel Sekunde existiert. Aber auch das Meson, so kurzlebig es ist, ist ein Teil der Wirklichkeit, wenn auch auf einer anderen Stufe der Wirklichkeit als unserer. Es kann sehr gut sein, daß es zu einem Universum gehört, in dem Zeit und Raum, wie wir sie wahrnehmen, letztlich keine Bedeutung haben.

Wenn aber Zeit und Raum keine Bedeutung haben, worin kann dann der Sinn gefunden werden? Nur in jenem Teil von uns, der gesondert und unabhängig über zeitlichen und räumlichen Meßmethoden steht, der in Wirklichkeit zusammen mit dem Molekül und dem Sternenschwarm einen integralen Teil der Wirklichkeit bildet und vielleicht in seinen unergründlichen Tiefen den Schlüssel zu dem enthält, was dahinter liegt.