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Unbegrenzt in alle Ewigkeit

Manchmal kapseln wir uns mit unseren Ansichten ein und kommen aus lauter Furcht nicht frei davon. Aber so, wie die Sonne immer wieder scheint, die Winde wehen, die Wogen brausen und an den Klippen zerschellen, so ist es auch mit dem Wind und der Sonne des Geistes und den Wogen der Zeit. Während manche eifrig versuchen zu beweisen, daß wir die Wahrheit nicht besitzen können, erscheint sie immer wieder von neuem unter uns. Der Geist kann nicht durch Regeln eingeengt werden, die ihm das kleinliche Gemüt diktiert, und der Inspiration können wir kein Du sollst nicht auferlegen. Es gibt gewisse Zeichen, an denen wir erkennen können, was aus dem Höheren kommt: ein Licht, das das Leben und die verborgenen Dinge erleuchtet, eine Erhabenheit, die die Seele erweitert. Sehen wir nicht, daß das, was immer lebt, nicht in Worte eingezwängt und eingeschlossen werden kann, die in diesem oder jenen Jahr gesagt wurden, selbst wenn sie von jenen stammen, die man als Autoritäten dafür bezeichnet. Worte sind endliche Dinge - wertvolle Träger der Botschaften des Geistes, aber leidvoll und tyrannisch, wenn wir unsere Seele vor ihnen beugen und ihre Begrenztheit zum Absoluten machen wollen.

Wie alt war die Erde, als sie ein taugliches Heim für den Menschen wurde? Alte Überlieferungen behaupten, daß die Menschen mit ihrem physischen Körper seit mehreren Millionen Jahren existieren und daß dieser Zeit etwa dreihundert Millionen Jahre vorausgingen, die der Entwicklung der Mineral- und Pflanzenwelt dienten. Weiter heißt es, daß die gegenwärtige Runde oder der gegenwärtige Evolutionszyklus die Mitte des unserem Globus bestimmten Lebens darstellt und die Periode der größten Entfaltung ist. Zuvor mußte der Boden vorbereitet und die Voraussetzung für den Erdenbürger Mensch geschaffen werden. Die Erde selbst mußte viele Veränderungen durchmachen, die durch die Verdichtungsprozesse verursacht wurden. Ihre dünne Substanz wich festen Kontinenten. Dadurch wurden in der Natur Erdbeben hervorgerufen. Es ist erstaunlich, daß die Wissenschaftler, die die Theorie einer einst ätherischen Erde annehmen, die Existenz eines einst ätherischen Menschen noch immer zurückweisen. Doch, wie wir wissen, steht das Gesetz der Analogie in der Natur an führender Stelle.

Wir wollen nicht bei jenen Phasen der gigantischen Tiere früherer Zeitalter verweilen, sondern uns lieber mit der Zukunft der menschlichen Lebenswoge befassen. Die runde Zahl von 18 000 000 Jahren, die die Zeit des physisch sich geschlechtlich fortpflanzenden Menschen umfaßt, muß gewaltig erhöht werden, wenn dabei die ganze spirituelle, mentale und physische Entwicklung mit in Betracht gezogen wird. Die urzeitlichen Bedingungen auf dem Globus würden nicht gegen eine solche Entwicklung sprechen. Auch die kohlenstoffhaltigen Dünste und der dampfende Boden würden eine Lebensform und Organismen, die für die Verkörperung einer früheren 'Menschheit' geeignet wären, nicht ausschließen.

Jede alte Schrift und Kosmogonie deutet darauf hin, daß sich der Mensch uranfänglich als "eine leuchtende, unkörperliche Form" entwickelte. Um diese Form herum wurden - wie beim Bildhauer der plastische Ton auf die Skulptur des Modelles gegeben wird - die niederen Formen und Arten animalischen, irdischen Lebens aufgebaut. Dadurch entstand das physische Gerüst seines Körpers. Der Zohar sagt: "Als Adam im Garten Eden wohnte, war er in das göttliche Gewand gekleidet, das das Gewand des himmlischen Lichtes ist." Die Wissenschaftler sprechen von einem unabhängigen Protoplasmakern, der nie stirbt, sondern sich einfach teilt und wieder teilt und sich beständig im Strom des Lebens fortbewegt. Immer wieder geht er neue Verbindungen ein, stirbt aber niemals ab. All das bekräftigt die Idee einer zweifachen Richtung der Evolution. Erst in verhältnismäßig jungen geologischen Perioden fegte der spiralförmige Verlauf des zyklischen Gesetzes das Menschengeschlecht in den niedersten Grad physikalischen Ausdrucks, auf die Ebene der groben Materie. Nachdem es den tiefsten Punkt sicher überschritten hat, befindet es sich als Lebenswoge bereits auf der langen, aufwärtsführenden Reise dem Geistigen entgegen.

Ich glaube, in der Geschichte von König Arthur und seinen Rittern finden wir eine Andeutung auf dieses Geschehen. Wie Sie wissen werden, lud König Arthur die Ritter zu einer Versammlung und, nachdem er ihnen Belehrungen und Anweisungen gegeben hatte, schickte er sie aus, um Excalibur, das Schwert der Wahrheit zu suchen. Nach vielen Erfahrungen und Irrfahrten, bei denen verschiedene sogar das Ziel aus den Augen verloren, kehren einige wenige nach Überwindung des Selbstes in den Versammlungssaal zurück, um über ihren Erfolg zu berichten. Der Teil in uns, der unvergänglich und unsterblich ist, kann aus Mangel an Zuversicht oder aus Gleichgültigkeit vorübergehend durch das persönliche Selbst in die Netze der Irreführung und der bewußten Täuschung verstrickt werden. Wenn das geschieht, dann halten uns die Verlockungen des niederen Gemütes gefangen, die, wenn wir ihnen nicht widerstehen, zu einer Entfremdung jenes ewigen, unzerstörbaren Pilgers führen, von dem wir wissen, daß er der wesentliche Kern des Menschen ist.

Die seltsamen Formen und die dazu erforderlichen Verhältnisse, in denen sich der unsterbliche Pilger verkörpern mußte, mögen ein notwendiger Teil einer hierarchischen Alchimie gewesen sein. Viele Bestandteile mußten dabei einen Reinigungsprozeß durchmachen. Die Natur tut nichts halb. Ihre Arbeitsweise ist vollendet und ohne Unterbrechungen: wie oben, so unten; ihre Methode ist auf allen Ebenen die gleiche. Der scheinbare Abstieg des Geistes in das Erdenleben, man könnte es auch den "Abstieg in den Hades" nennen, war eine Vorbereitung für das Werden des gesamten Menschen. Das Prüfen und Reinigen unedler Metalle könnte man als Vergleich betrachten. Gold muß im Feuer geläutert werden, und wir wissen, daß Silber siebenmal im Schmelztiegel geschmolzen werden muß, ehe das reine Metall von aller Schlacke befreit ist.

Wie viele von uns Sterblichen sind bereit, durch das Feuer des Geistes geprüft zu werden, obwohl das der einzige Weg ist, die Ruhe des Gemütes zu erlangen, die wir suchen? Ist eine solche Prüfung in unseren Tagen, in unserem Zeitalter überflüssig? Ich denke nicht, denn wir müssen offen zugeben, daß sie den einzigen Schlüssel zu beständigem Fortschritt und zu dauerndem Herzensfrieden darstellt. Wenn unsere Gesetzgeber und Staatsmänner mehr Verständnis für das Ziel der Seele hätten, befände sich die Bevölkerung der Erde sicherlich nicht in einem so furchtbaren Zustand, wie es unzweifelhaft heute der Fall ist.

Die Lehre von der essentiellen Einheit des Leben ist zeitlos. Das Universale wird im Einzelnen widergespiegelt. Die vielen legendären Darstellungen über die Erweckung des höheren Gemütes durch die Elohim - oder wenn man will, durch Prometheus, durch die Mânasaputras oder "Söhne des Gemütes" - sind ein Zeugnis für die Geschichte der Seele des Menschen, ein Erkennen seiner Verbindung mit dem Göttlichen, das, wenn wir achtgeben, den Pfad, dem wir seit Beginn der Zeit zu folgen haben, erleuchten und deutlich machen wird.

Hier haben wir, meines Erachtens, eine Andeutung, eine Antwort auf das Problem der vielen Religionen und Glaubensbekenntnisse in der Welt. Sie sind Teile der ewigen Wahrheit und erklären den Zusammenhang zwischen Leben, Elektrizität, Gemüt, Kraft, Wunsch oder was immer wir wollen. Sie alle haben in der einen Quelle des Lebens ihren Ursprung und sind von einer Hierarchie abgeleitet. Wir können es mit dem Zirkulationssystem des Blutstromes vergleichen, das im Kleinen einen Schlüssel zu den Zirkulationen des Kosmos, zum kosmischen Herzen allen Seins liefert. Jede Manifestation von Leben, vom Protoplasma bis zu den erhabensten Intelligenzen, erscheint innerhalb der Einflußsphäre des universalen Gesetzes. In den weniger fortgeschrittenen Reichen stehen die Vorgänge mit dem, was wir die "Naturgesetze" nennen, natürlich und harmonisch im Einklang, bis schließlich die Zeit kommt, in der sich das Organ der Sinneswahrnehmung entwickelt, um selbstbewußt die Fortführung der Evolution zu übernehmen.

Viele heilige Schriften lehrten, daß das Gemüt des Menschen nur ein einziges Prinzip aus einer Reihe von Brennpunkten oder Prinzipien ist, die sich vom Grob-Physischen bis zum Spirituellen erstrecken. Sie emanieren alle aus einer göttlichen Monade, die selbst wiederum ein Strahl aus der Quelle ist, ähnlich den Strahlen, die von einer zentralen Sonne ausgehen. Der Mensch ist ein Strahl von einer solchen Sonne und zwar tatsächlich von unserem eigenen Tagesgestirn. Jeder Teil seiner Konstitution wird von Wächtern, von Aufsehern überwacht, und das sind unsere "himmlischen Eltern."

Das Erwachen des Gemütes kann auf zweierlei Weise betrachtet werden. Durch mein Studium neige ich zu der Anschauung, daß es mehr eine Selbstentzündung des göttlichen Funkens ist und nicht etwa von außen eingeleitet wurde. Ich möchte sogar sagen, es ist beides, es kommt von innen und von außen, aber es besteht ein großer Unterschied, und dieser bezieht sich auf die so beliebte buddhistische Lehre von den zwei Pfaden: den Weg der Pratyeka-Buddhas und den der Buddhas des Mitleids, die auch als die Lehren des Intellekts und des Herzens bekannt sind. In den Überlieferungen der Weisheit des Altertums ist das klar dargestellt. Man kann einen Menschen nicht zu einem lebendigen Geist machen, das ist klar. Das ist das Ergebnis beständigen Wachstums aus dem Inneren des Selbstes, als Folge einer unzweideutigen und unbeugsamen Wahl zwischen Selbstsucht und Selbstlosigkeit. Deshalb die ständige Wiederholung, daß Bruderschaft die erste Bedingung für den Aspiranten ist. Darauf beruhen das ganze Gesetz und die Propheten. Es ist die unveränderliche Antwort für den Materialisten, für den Kritiker, der wissen will, "Warum brüderlich? Wie steht es mit meinen Rechten? Mit meinen Interessen? Mit meinem Lande?"

Die Natur um uns herum arbeitet nicht auf diese Weise. Die Sonne spendet allen freigebig ihr Licht, ohne Rücksicht auf Rasse, gesellschaftliche Stellung oder Hautfarbe. Die Mutter Natur gibt in überquellendem Maße von ihrem reichlichen Vorrat: die Fische in den Meeren, Flüssen, Seen und Strömen; die Bäume des Waldes, die Blumen im einsamen Tal; die Edelsteine der Erde und ihre Minerallager. Sie sagt: "Hier, nehmt reichlich", und die Menschen horten diese Schätze und benützen sie für dieses und jenes. Wir haben ein Recht auf diese Gaben, aber wenn wir uns überlegen, wie sie genutzt werden sollen, so meldet sich automatisch das in uns wirkende Höhere Selbst. Unser Gewissen gibt uns eine Bestätigung für die zweifache Natur des Gemütes. Es ist das Prinzip des Intellekts, das in der Mitte zwischen unserer Buddhi- oder Christosnatur und unserer Begierdennatur, dem Sitz unserer irdischen Impulse, seinen Platz hat.

Lehrer und Ratgeber kommen nicht, um uns an neue Glaubensbekenntnisse zu ketten, sondern um unsere Gemüter zu erheben und zu befreien. Sie zeigen den Weg zu würdigerem Leben und Denken. Sie sagen niemals, daß es einen Ort gibt, an dem die Evolution endet und das Lernen aufhört. Wenn manche Menschen sich dem Dogma unterwerfen, so bedeutet das nicht, daß die Wahrheit und ihre Kräfte und die Weisheit erschöpft sind, oder daß es keinen weiteren Fortschritt im Wissen gibt. Der Ruf bleibt bestehen -- der Mensch als Denker hat die wohlbegründete und rechtmäßige Befugnis der Wahl: entweder in der Erdsphäre verhaftet zu bleiben oder ein Gottmensch zu werden, so wie es die ursprüngliche Bestimmung war, die ihn ins Dasein brachte. Die göttlichen Wesen wachten und warteten Äonen lang, um ihren sich abmühenden Brüdern der ersten Rasse helfen zu können, den Atem des Lebens zu atmen, so wie es dann geschah. Das war eine selbst auferlegte und keineswegs leichte, aber mitleidsvolle Aufgabe. Wir können versichert sein, daß dieser mitleidsvolle Vorgang bis zum Ende unserer Pilgerschaft fortdauern wird.