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Das Drama und dessen Möglichkeit für die Seele

Es ist bedauerlich, daß sich Religion, Wissenschaft und Kunst so trennten, wie sie es getan haben. Und daß der Kunst eine etwas untergeordnete Stellung zugewiesen wurde ebenfalls, denn die Kunst wäre von den drei die erleuchtendste und belehrendste. Doch heute wird sie als ein angenehmer Überfluß, ein Luxus, eine Zerstreuung betrachtet. Das war nicht immer so; noch muß es unbedingt in Zukunft so sein. Die Religion, von der gesagt wird, sie sei die verbindende Kraft, die den Menschen mit seiner göttlichen Quelle verbindet, hat diese Wirksamkeit heute verloren, man könnte eher sagen, daß sie den Menschen von der Gottheit trennt! Die Wissenschaft von heute betont diese Trennung und scheidet den göttlichen Menschen vom irdischen Menschen vollkommen. Während sie Wirkungen in Tabellen registriert und zu einander in Beziehung bringt, spekuliert sie über die Ursachen, versäumt aber die wesentliche Natur der Dinge oder die Beziehung zu wirklichen Ursachen entsprechend zu erklären. Und die Kunst, die die Macht hat das verborgene Mysterium des Lebens bis zu einem gewissen Grad zu enthüllen und die Beziehung der Wirkungen zu uranfänglichen Ursachen anzudeuten, ist zu einer Spielerei, zu einem Anhängsel der Zivilisation geworden, statt eine Offenbarung der die Natur beseelenden Gottheit zu sein.

Wenn zum Beispiel das Drama jetzt als ein bloßes Spiel betrachtet wird, wer wird da sagen, daß es eine bessere Beachtung verdient hat? Und demnach enthüllt die Bühne eigentlich tatsächlich die Wirkungen von Ursachen in der Natur, die ihre Wurzeln in der unbekannten bodenlosen Tiefe des Herzens haben, wo das Göttliche seinen Sitz hat. Die Geschichte der Religion erzählt, wie in der Vergangenheit verschiedene Gottheiten durch den Menschen, der im materiellen Universum ihr Verbindungsmann war, das Schicksal der Welt offenbarten. Das Schauspiel zeigt wie diese gleichen Kräfte heute wirken, im Trauerspiel und im Lustspiel, indem sie auf dem Webstuhl des Lebens die seltsamen Muster des Schicksals weben, die vergessene oder unbekannte Götter immerzu in mystischen Zeichen auf den Schirm der Zeit malen: unbekannte, unerkannte Götter, die in Wirklichkeit wir selbst sind.

Es ist eine einleuchtende Wahrheit, wenn man sagt, "Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Männer und Frauen sind Schauspieler." Aber als Shakespeare diese Worte schrieb, spielte er nicht den Prediger. Er war zu sehr Künstler, um etwas aufzuwerfen und den melancholischen Jaques als inspirierten Lehrer sprechen zu lassen. Er ließ den armen Zyniker zu sich selbst sprechen, und so wurde der Ausspruch 'bloß' von jenem Pessimisten dazwischengeworfen, der mit seiner Schwermut die ganze Welt vergiften wollte, aber soweit davon entfernt war ein Lehrer zu sein, daß er sich den Tadel des Herzogs zuzog. Für Jaques stellte die Bühne eben nur eine Nachäffung der Welt dar, und so ergeben seine 'sieben Lebensalter' ein Bild vom Leben des Menschen, das in der Tat ein böses Zerrbild des idealen Lebens ist, ohne jegliche Aussicht auf eine Entschädigung in der Zukunft hier oder anderswo.

Gleichwohl ist das ganze Leben im wahrsten Sinne ein Drama. Es ist eine Darstellung der Pilgerschaft der auf Erden inkarnierten Seele, die einem Schauspieler gleicht, der eine Rolle spielt. Die Rolle ist seine Rolle, und das Spiel ist für ihn wirklich, denn er hat die Umgebung gewählt. So stimmt es, daß Männer und Frauen Schauspieler sind, und daß "ein Mensch im Verlauf seiner Zeit viele Rollen spielt"; aber vom Standpunkt der Seele aus dauert 'seine Zeit' fast ewig und zählt vielleicht soviele Inkarnationen, wie ein Leben Tage zählt und für die Seele soviele Male Geborenwerden und Sterben, wie es Zeiten des Schlafens und des Wachseins für den Körper gibt.

Diese Erkenntnis unserer eigenen Verantwortlichkeit für die Verhältnisse in denen wir leben, macht das Leben sinnvoll und verständlich. Wenn man alles auf uns zukommende als Resultat früherer Leben annimmt, so zwingt das zur Aufmerksamkeit für die wahrscheinlichen Resultate unserer gegenwärtigen Lebensführung und verursacht beim Menschen das Gefühl, daß er der Gestalter seines Schicksals und der Autor der Rolle ist, die er spielen wird, wenn er das nächste Mal die Bühne betritt. Wenn er diese Verantwortlichkeit einmal fühlt, werden seine Spötteleien über die scheinbare Hohlheit des Lebens aufhören. Wäre die Welt bereit gewesen und hätte das Auditorium nach etwas tieferem als nach oberflächlichem Zynismus gesucht, dann hätte Shakespeare Jaques' Pessimismus vielleicht nicht als seine eigene Vorstellung vom wahren Leben gelten lassen. "Schmücke mich mit meinem bunten Narrenkleid" war ein Schrei, der aus jenem Teil von Jaques in Unordnung geratenem Organismus kam, der ihm als Herz diente, und er kann für jede solche Scheinphilosophie den Grundton bilden.

Anderseits ist Lebensfreude ein Ausdruck des Vertrauens in die großen Gesetze der Natur, nicht als das willkürliche Diktum irgendeines Gottes, sondern als die dem Universum innewohnende Funktion. Der wahre Optimist ist, wer intuitiv fühlt, daß das Leben im wesentlichen schön ist und nach Gesetzen verläuft, deren Mißachtung Disharmonie erzeugt. Unkenntnis dieser Gesetze bringt Pessimismus und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit mit sich; und der Tod, der einerseits vom Standpunkt der Seele aus eine Befreiung ist, wird dann für den vergänglichen Körper und für das in ihm eingeschlossene niedere Gemüt etwas Schreckliches.

Das Drama des Lebens ist daher die Pilgerschaft des Menschen, und unser Drama auf der Bühne ist nur eine nachahmende Vorführung der großen Tragikomödie an der wir alle teilnehmen. Das ist so, ob es die Schauspieler wissen oder nicht, oder ob der Dramatiker in der Blindheit seiner Selbstzufriedenheit bloß Worte drechselt und sie in den Teppich einwebt, von dem er glaubt, daß er durchaus originell ist, der aber, ihm selbst unbekannt, die alte Geschichte vom Suchen der Seele nach Selbsterkenntnis und Wiedervereinigung mit der Göttlichkeit im Inneren fortsetzt. Wenn der Autor des Dramas ein Genie ist, sieht er die Seele sich hinter dem Schleier des Lebens regen, er fühlt mehr oder weniger deutlich die in den menschlichen Intrigen, Plänen, Verbrechen und Heldentaten geoffenbarte Macht und Majestät des kosmischen Gesetzes. Und das nicht nur in der Tragödie, sondern auch in der ausgelassensten Komödie, in den zarten Verwicklungen der Phantasie, wie in der getreuen Darstellung dessen, was wir Charakterstudien nennen. Die Seele steht hinter all dem; wenn nicht, dann ist das Stück langweilig. Was das große Drama von einer Platitüde unterscheidet ist eben: das Innewohnen der überschattenden Seele.

Das klassische Drama hatte Bestand wegen der intuitiven Wahrnehmung der Wirklichkeit hinter den Vorstellungen des Lebens durch seine Schauspielautoren. Jede Persönlichkeit ist 'irgendwer' und was noch mehr ist, dieser irgendwer lebt in seiner Generation und überlebt sie, denn er hat ein Element der Unsterblichkeit in sich. Es scheint wahrscheinlich, daß die uns bekannten alten Dramen ihren Ursprung in Mysterienspielen hatten, die zur Belehrung der Neophyten und gelegentlich zur Erziehung der Menge in den Tempeln des Altertums aufgeführt wurden. Aber ob als ein Teil heiliger Riten gespielt oder in den äußeren Höfen des Tempels öffentlich dargeboten, jene Dramen handelten ausgesprochen über die Erfahrungen der Seele während des Erdenlebens und nach dem Tode. Da die Religion jedoch beim Volk immer mehr an Ansehen verlor, verloren die Mysterienspiele natürlicherweise ihre ursprüngliche Bedeutung, und statt erzieherisch und veredelnd zu sein, wurden sie im besten Falle zu einer bloßen Unterhaltung oder zu einem reinen rituellen Mummenschanz ohne Bedeutung oder Macht die Imagination der Zuschauer zu erheben. Vom Aberglauben ist nur ein Schritt zum Possenreißen und zur Dummheit, und es folgt ein dunkles Zeitalter zwischen den vergessenen Tagen der spirituellen Mysterien und der Dämmerung unseres modernen intellektuellen Dramas, das lebendig und voll natürlicher Kraft ist, dem aber die tieferen Qualitäten fehlen, die die Essenz des wahren Mysterienspieles bildeten. Die dunklen Zeitalter sind vorüber und allgemein verbreitete Erziehung brachte enorme Wohlfahrt, Kultur und großen Luxus. Literatur und Künste sind als Unterhaltung und als Beruf volkstümlich geworden. Aber das Wiedererwachen der schlummernden Spiritualität in der Welt ist noch kein positiver Faktor im Leben der zivilisierten Nationen geworden.

Heute wird die Selbstsucht unserer vom Geschäftsgeist durchdrungenen Gesellschaft in ihren Grundlagen erschüttert. Dünste aus einer unbekannten Region in oder um uns steigen an die Oberfläche, und Nationen und einzelne Menschen scheinen von ihren eigenen verderblichen Ausdünstungen überwältigt zu werden. Die Folge ist Bestürzung und Verwirrung, in denen alle Maßnahmen den Kräften der Selbstvernichtung Einhalt zu gebieten machtlos zu sein scheinen. Doch in der allgemeinen Umwälzung werden wieder einmal gewisse lang übersehene Wegweiser in das Blickfeld gerückt, Wahrheiten, die lange Zeit begraben lagen. Es macht sich ein wachsendes Bedürfnis nach überzeugenderen Antworten, als man sie von der dogmatischen Religion bekommen kann spürbar; und diese Forderung ist bis in das Gebiet der Kunst, der Literatur und des Dramas vorgedrungen. Nein das Theater hat seine Macht der Anziehung nicht verloren, aber viele seiner Gönner sind unbefriedigt. Sie fühlen in sich einen Hunger, der nicht mit seelenlosem Intellekt oder gefühllosem Unsinn gestillt werden kann. Wenn das Theater nicht mehr seine wahre Rolle spielt, dann deshalb, weil es mit seinen gegenwärtigen Idealen nicht mehr zu geben hat, als das Publikum bereits besitzt. Dramatiker von großer Intelligenz und meisterhafter Technik verfassen Stücke, die die großen Probleme zum größten Teil unbeantwortet lassen. Satiriker schreiben scharfe Kritiken über die Torheiten des Tages, aber ohne einen Hinweis wie sie zu vermeiden sind. Anklagen ist immer leicht, und die Satire scheint heute nicht nur die krankhafte Neigung von Gemütern zu sein, die durch das Erkennen ihrer eigenen Häßlichkeit verbittert sind.

Das Drama war früher ein edler Führer, oder vielmehr eine Inspiration und ein Appell an die göttlichen Instinkte der Menschheit. Es hielt keine Predigten noch lernte es Dogmen, sondern gab Bilder wieder und enthüllte die Möglichkeiten der Seele. Es erhob die Gemüter der Menschen von der niedrigen Anschauung über das Leben zur heroischen und zeigte den Weg zu ewigen Wahrheiten.