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Wie ein Mensch...

Das neue Jahr ist da und mit ihm der Anfang eines neuen Jahrzehnts unseres unruhigen, wundervollen Jahrhunderts. Niemand kann sagen, was es bringen wird. Spannungen, Probleme, Verwirrung, aber auch Erwartung auf Bedeutendes. Es gibt kein Gift, für das die Natur nicht auch ein Gegengift geschaffen hätte, keine Charakterschwäche und keinen Mangel an Idealismus, für die nicht auch die entsprechende Stärke aufgebracht werden könnte.

Vor fünfzehn Jahren schlossen sich etwa fünfzig Nationen der ganzen Welt für den Versuch zusammen, geeignete Mittel zur Ausrottung des Krieges zu finden, und um die "grundlegenden Menschenrechte" aller Völker, in Freiheit und Frieden zu leben, zu garantieren. Fünfzehn Jahre Prüfung, bedeckt mit manchen geschlagenen Wunden des Mißerfolges, der Angst und des Verrats. Wenn man jedoch an den tiefen Drang all der Menschen denkt, an "ihren Glauben... die Würde und den Wert der menschlichen Person von neuem zu bekräftigen", dann gehen die Vereinten Nationen der Erfüllung ihrer herrlichen Ziele, für die sie gegründet wurden, entgegen.

In der Geschichte der Rasse gibt es Zeiten, in denen der Kampf zwischen jenen, die die Menschheit antreiben ihr Gesichtsfeld zu erweitern und ein vollkommeneres Bewußtsein der Wahrheit zu erlangen, und zwischen jenen, die die Menschen in Fesseln halten, ganz intensiv ist. Gegenwärtig leben wir in einem solchen Zeitabschnitt, wo der Kampf zwischen den schöpferischen und den zerstörenden Mächten in jedem Aspekt unseres Lebens stark empfunden wird. Aber das ist nichts Neues. Seit unzähligen Zeitaltern gab es Zyklen des Fortschritts, denen Rückschritt folgte; es gab Zyklen von beschleunigter spiritueller Einsicht, gefolgt von begrenzter materialistischer Ansicht. Zivilisationen kamen und gingen; in dem einen Kontinent trat Niedergang ein und im andern erfolgte ein Aufstieg zu herrlichen Höhen des Erfolges.

Die menschliche Natur wandelt sich so allmählich, daß man sagen könnte, bei uns sind noch dieselben hässlichen Züge und ohne Zweifel auch dieselbe Charaktergüte, wie sie vor Tausenden von Jahren da waren. Allzuwahr, aber gerade daraus können wir neue Hoffnung schöpfen: Das Klima des Denkens wie der Aspiration ändert sich und bessert sich merklich, da wir in neue und lichtere Perioden unseres rassischen Wachstums eintreten. Wenn wir unseren Blick der riesigen Zahl menschlicher Seelen zuwenden, die unsern Planeten bewohnen, so fällt uns der dramatische Ausbruch neuer Werte auf, der sich in allen unseren Weltteilen bemerkbar macht. Während früher die meisten von uns dem gleichgültig gegenüberstanden, weil man von den Völkern jenseits der Meere nichts wußte, sind heute die Entbehrungen und Konflikte einer noch so winzigen Nation zur Angelegenheit und Verantwortlichkeit aller geworden. Kein Land kommt ohne das andere aus, kein menschliches Wesen bleibt unberührt von den Bedürfnissen eines andern. Der interglobale Zusammenhang, die Bedrohung weltweiten nuklearen Unglücks, der Ausbruch in den kosmischen Raum, haben unsere wahre Verwandtschaft offenbart. Die Möglichkeiten zur Gründung einer Weltregierung, einer universalen Polizeimacht und eines umfassenderen internationalen Gesetzes, werden ernsthaft von einem großen Kreis der Denker diskutiert. Und während kein moralisches, spirituelles, noch physisches Sittengesetz die Macht hat vorzuschreiben, wie man aus dem Bösen das Gute, aus Uneinigkeit Freundschaft schafft, oder daß dort, wo die Tyrannei brütet, freies Wachstum entstehen sollte, hat nichtsdestoweniger der Gedanke einer weltweiten Partnerschaft seine stille, aber weitreichende Wirkung.

Ganz offensichtlich kann keiner von uns das gesamte internationale Bild in seiner Perspektive deutlich erfassen, aber wir können auf eigene Weise versuchen, uns als menschliche Einheiten, als Bewohner einer Welt zu betrachten und uns insoweit bemühen unsere eigenen Verhältnisse im Lichte der gewaltigeren Schicksale der Erde, der Sonne und der Milchstraße zu sehen. Die alte und heute ultramoderne Ansicht, daß Leben und Intelligenz Erscheinungen sind, die keineswegs einzig und allein auf einen winzigen Planeten beschränkt, sondern über das ganze Universum verbreitet sind, rückt unseren eigenen menschlichen Lebensabschnitt in den Mittelpunkt. Anstatt anzunehmen, daß das Bewußtsein mit dem Tode dahinschwindet, erkennen wir, daß die Seele des Menschen zahllose Existenzen auf unserem Planeten gehabt haben muß, und am besten dadurch lernt, indem sie die Früchte vergangener Saat erntet und fortwährend in ihrem Entwicklungskampf aufwärts und vorwärts getrieben wird.

Es ist tragisch, daß wir im Westen seit Jahrhunderten diesen schönen Gedanken verloren haben und glauben, es stünde uns nur ein kurzes Leben zur Verfügung, um die mannigfachen Ziele unserer Göttlichkeit zu erfüllen. Ähnlich ist die Tragik, daß im Osten die ursprünglichen Lehren von Karma und Wiedergeburt so entstellt wurden, daß die Völker Asiens für Hunderte von Jahren der Somnolenz des Passiven erlaubt haben, ihr Leben zu umgeben. Heute jedoch, wo die Sonne auf ihrer vorgezeichneten Bahn unseren Eintritt in ein anderes Feld der Erfahrung anzeigt, bringt die ansteigende Lebenskraft eines neuen Geistes die gesamte Menschheit zum Erwachen und fordert, daß wir die absterbende Vergangenheit abschütteln und erkennen sollen, daß alle Menschen Brüder sind, ohne Rücksicht auf ihre religiöse Überzeugung, ihre Hautfarbe und ihre rassische oder völkische Abstammung.

Räder innerhalb von Rädern, Zyklen innerhalb von Zyklen. Die erschreckenden Spannkräfte und das Auftauchen von Idealen, die über und unter der Oberfläche des Weltgeschehens empfunden werden, sind eine unvermeidliche Phase unserer Entwicklung. Wir durchschreiten das "Eiserne Zeitalter", wie es die alten Griechen nannten. Die Hindus sprachen vom Kali-Yuga oder vom "Zyklus der Dunkelheit", wo unsere Anstrengungen um den Fortschritt auf Opposition treffen, die hart ist und schwarz wie das Eisen. Gewiß, es ist ein absteigender Bogen in unserer irdischen Pilgerschaft, wo die spirituellen Impulse, die in die Tiefe der Materie hinabgestiegen sind, sich abmühen, ihre einengenden Fesseln zu sprengen, um wieder eine größere Freiheit des Ausdrucks zu erreichen. Unsere wirklichen Schwierigkeiten, die nicht im Entferntesten eine Quelle des Schreckens zu sein brauchen, sind eine Aufforderung an uns und die größte Gelegenheit für Erfolg.

Nichts geschieht durch Zufall und wie jeder wache Augenblick im Leben eines einzelnen Menschen die Frucht seiner ganzen Vergangenheit in sich trägt, so enthält auch das Karma, das eine Nation entwickelt, sowohl die Glorie und Stärke ihrer früheren Zivilisationen, ihre Schwächen und Fehler als auch die Samen zukünftiger Vollendung in sich. Wenn all unser Denken und Tun auf die ganze Nation zurückwirkt, so werden nicht allein andere Menschen davon berührt, sondern auch das Geschick aller Lebenspartikel in unserem Sonnenuniversum; denn der Wiederaufbau unserer Welt ist in Wahrheit die Angelegenheit jedes einzelnen von uns. Wir sind die Menschheit, und was sich in der Seele eines der geringsten Bewohner eines entlegenen Dorfes regt, ist so bedeutsam wie das, was an den grünen Tischen in London, Paris oder Berlin stattfindet.

Dies soll wenigstens ein kleiner Beitrag zu dem außergewöhnlichen Resultat sein, das die unlängst vom amerikanischen Präsidenten unternommene "Pilgerfahrt des Friedens" hervorgerufen hat, denn die Leiter der Nationen hatten ja schließlich vorher eine Zusammenkunft und haben wochenlang über die ernsten Probleme von Krieg und Frieden nachgedacht. Warum wurde aber diese Auslandreise "zu einem Ereignis von weltweiter Bedeutung"?

Dwight D. Eisenhower war nur der Lichtblitz, der das Feuer entzündete. Wenn nicht der Glut des guten Willens und des leidenschaftlichen Verlangens nach Freiheit jahrhundertelanges Leiden vorangegangen wäre, würde sich die Flamme des Willkommens niemals zu solch gewaltigen Höhen erhoben haben. Gewiß, er kam als Repräsentant eines Volkes, das wirklich bereit ist seinen Beitrag zu dem "tiefen und ewigen Sehnen der Menschheit nach Frieden und Freundschaft" zu leisten. Aber weder das allein, noch das sinnreiche Symbol von "Nahrung - Familie - Freundschaft - Freiheit" für alle Menschen, würde als solches diesen überwältigenden Widerhall gefunden haben, wenn nicht ein "schicksalhaftes Empfinden" dabei gewesen wäre.

Hat es jemals vorher so etwas gegeben, daß Gedankengänge übertragen wurden, die unmöglich vorher durch Absprachen oder formale Übereinkünfte erlangt wurden? Welches Wundermittel brachte er?

Er kam als ein menschliches Wesen zu den anderen. Und die große und erleuchtete Plattform des "Friedens in Freiheit" verlieh seiner Mission Stärke. Was die Millionen berührte, war der Appell eines offenen Herzens an das ihrige, waren die in Freundschaft ausgestreckten Hände und die einfachen Worte eines Versprechens: "Was mich betrifft, werde ich als ein Mensch, der mit andern Menschen zusammenarbeitet, tun, was in meiner Macht steht, um dem Frieden, der Freiheit und der Rechtschaffenheit voranzuhelfen und für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in der Welt eine würdige Zukunft zu schaffen."

Das Jahr 1960 trägt tatsächlich große Hoffnungen in sich. Wenn jeder von uns bewußt streben würde, nach den höchsten Idealen, die wir uns vorstellen können, zu leben, so könnten wir sicherlich den Lauf des Weltgeschehens von eventuellen Katastrophen ablenken und in die Kanäle echter Verständigung leiten. Wir werden in kein Goldenes Zeitalter eintreten, denn das wird erst nach Tausenden von Jahren kommen; aber jeder von uns kann sein Scherflein selbstlosen Bemühens zur Geburt einer neuen Ära beitragen, nicht von passiver Koexistenz, sondern einer Ära leuchtender Freiheit mit friedvollen und harmonischen Beziehungen unter allen Völkern jeder Nation, jeder Rasse und jeden Glaubens. Wenn das der Fall ist, dann werden die unvergänglichen Werte, die die Großen Boten aller Zeiten repräsentieren, wie Christus und Buddha, Konfuzius, Krishna und Zoroaster, Plato und Pythagoras und hunderte von "unbekannten Soldaten", die alle Kämpfer für das Gute waren, zum vorherrschenden Grundton im Bewußtsein der Menschheit geworden sein.