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Wir sind so groß, wie der Standpunkt, den wir einnehmen

Ich bin gerade vom Krankenbett eines Freundes zurückgekommen, der zwei Schlaganfälle erlitten hatte. Ich bin sicher, daß er mit mir einer Meinung wäre, daß keiner von uns jemals lebend aus diesem Leben scheidet, aber man könnte ihn nicht dazu bringen, zuzugeben, daß es eine schwierige alte Welt ist. Ich versuchte es gar nicht, denn trotz der Prüfungen, die gegeben werden, um Männer aus uns zu machen, ist es wirklich kein fürchterlicher Platz. Während wir uns unterhielten, bemühte sich mein Freund sehr, seine gelähmten Gliedmaßen zu bewegen. Er gehörte nicht zu denen, die aufgeben, nur weil er einen Rückschlag erlitten hatte. Wir riefen uns einen Zeitungsartikel ins Gedächtnis zurück, der vor einigen Jahren erschienen war. Darin war von einem jungen Mädchen die Rede, das durch einen Motorbootunfall beide Beine verloren hatte, und wie sich jeder darüber freute, als es sich wieder den Weg zum normalen Leben mit Hilfe von künstlichen Gliedmaßen zurückerkämpft und gemeinsam eine Familie gegründet hatte.

Es ist kaum etwas so erfreulich, als Zeuge zu sein, wenn Menschen mit wirklichen Sorgen das Leben mit einem Lächeln meistern. Es ist überraschend, wie mannigfaltig man den Verlust körperlicher Funktionen ausgleichen kann, wenn man es nur versucht. Gewöhnlich mögen wir es nicht, oder sollten es wenigstens nicht gern haben, daß wir wegen unserer Unzulänglichkeiten übermäßig auf Krücken angewiesen sind. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen der Zuflucht zu Krücken als Entschuldigung für unseren Mangel an Mut und ihrer Verwendung, weil wir ohne sie nicht so wie früher weitermachen können.

Das Leben scheint tatsächlich etwas ausgleichendes zu sein. Wir werden in dem Verhältnis belohnt, in dem wir fähig sind, die Möglichkeiten zu erkennen und ihren Vorteil wahrzunehmen. Diese sind nicht immer ersichtlich und selbst wenn sie erkannt werden, nicht immer mühelos zu vollbringen. Je größer manchmal die eventuelle Belohnung ist, desto größer ist auch die Aufgabe zur Ausführung. Der Ausgleich steht dabei in direkter Beziehung zur Schwierigkeit des Auftrags. Manchmal heißt es dabei, eine Lethargie zu überwinden und, was noch wichtiger ist, zu tun, was getan werden muß ungeachtet der schwierigen Hindernisse.

Es wäre nicht schwierig, sich unsere völlige Enttäuschung vorzustellen, wenn all das, was wir erwünschen oder erträumen, mit dem Schnippen der Finger erreicht werden könnte. Welche Befriedigung läge darin, wenn die Verwirklichung der Ziele, die man anstrebt, lediglich darin bestünde, danach zu greifen? Der große Segen besteht darin, daß uns mit jedem Sonnenaufgang eine Chance gegeben wird, wieder anzufangen. Was sich gestern ereignete ist vorbei. Da wir es nicht wiedergewinnen können, sollten wir deshalb kein Bedauern empfinden. Die Dämmerung eines neuen Tages ist die Garantie für einen frischen Start.

Draußen vor dem Fenster meines Arbeitszimmers wachsen die Riesen unseres Redwood-Waldes auf farnbedeckten Hängen. Dort, wo das Dach meines Studierzimmers ihre weitere Ausbreitung verhindert, machen sie halt. Hoch am Himmel verbergen manchmal flockige weiße Wolken das Licht der Mittagssonne und werfen ab und zu einen Schatten auf das Grün der Wiese. Genauso ist es mit jenen Erlebnissen, die uns manchmal völlig zu umklammern scheinen.

In unserem Wald gibt es Bäume, die es fertiggebracht haben, die Dinge, die ihnen geschehen, zu überleben. Das können wir auch. Wo Hindernisse ihr Wachstum behindert haben, haben sie sich gekrümmt und angepaßt. Und wenn die Stürme des Lebens sie niederwerfen, wachsen neue Sprößlinge hervor, um ihren Platz einzunehmen.

Das Leben wird selten am Grad unseres Überschwangs gemessen, wenn die Sonne scheint, sondern vielmehr durch die Stärke, die wir zeigen, wenn unsere Welt grau ist.